Licht für Gesundheit

CyberLux

Lichtqualitäten – Auch eine Frage der Vereinbarung


Autor

Paul W. Schmits

Kurzfassung

Ein Konzept für die Vereinbarung der Ziele und Umsetzung guter Beleuchtung wird vorgestellt.

Aus den Anforderungen der Nutzer an die Beleuchtung (von Arbeitsplätzen) lassen sich unterschiedliche Lichtqualitäten ableiten. Viele dieser Qualitäten können durch die bekannten lichttechnischen Parametern operationalisiert, nicht aber in jedem Fall quantifiziert werden.

Die Optimierungsstrategie bestimmt die Wichtung, mit der die einzelnen Lichtqualitäten aber auch die andere Eigenschaften der Beleuchtungsanlage (wie z. B. der Energieverbrauch) zu berücksichtigen sind. Die Optimierungsstrategie ist von den verantwortlichen Beteiligten festzulegen.


Beitrag

Welche Ansprüche haben Nutzer an die Beleuchtung ihres Arbeitsplatzes?
In der Regel erwarten sie:

a) eine ihnen angenehme Licht-Umgebung, in der sie
b) bei ihrer Arbeit optimal unterstützt werden und
c) jede visuelle Störung vermieden wird.

Für die unter c) und b) gestellten Forderungen nach gutem störungsfreien Arbeitslicht hält die Lichttechnik seit vielen Jahrzehnten bewährte Methoden und Kenngrößen bereit:

zu b) Beleuchtungsstärke, Farbwiedergabe, Leuchtdichteverteilung, „Schattigkeit“ usw. und
zu c) Methoden zur Begrenzung der Direktblendung, usw.

Diese „Gütemerkmale guter Beleuchtung“ werden herangezogen, um eine effektive Lösung der Arbeitsaufgabe zu ermöglichen.

Davon ausgehend, dass unterschiedliche Aufgaben und Situationen unterschiedliche Anwendungen dieser Gütemerkmale zur Folge haben, wurden die bekannten Regelwerke erstellt. In diesen wird in Abhängigkeit von der Aufgabe / Situation jedem Gütemerkmal ein Grenzwert zugeordnet, wenn es sich bei dem Gütemerkmal um eine skalierbare Größen handelt, die direkt mit einer Lichtempfindung des Nutzers korreliert (wie z.B. bei der Blendung oder der Farbwiedergabe). Andere Gütemerkmale, für die sich ein solch einfacher Zusammenhang nicht angeben lässt (wie die Leucht-dichteverteilung oder die Schattigkeit), werden zwar in vielen Regelwerken benannt, aufgrund ihrer aufwendigeren Umsetzung und schweren Nachprüfbarkeit in der Praxis aber nicht beachtet.

Soll auch die unter a) aufgestellte Forderung nach einer guten Licht-Umgebung erfüllt werden, so führt die ausschließliche Anwendung der skalierbaren Größen nur zufällig zu guten Resultaten

  • Die Lichtplanungs-Praxis reduziert sich häufig auf die Überprüfung einiger weniger quantifizierbarer Kenngrößen und ihrer Grenzwerte. Weitere Güte-merkmale und andere Qualitäten, die sich nicht oder nicht einfach skalieren lassen, bleiben ebenso unbeachtet wie komplexe Zusammenhänge zwischen den Kenngrößen.

  • Durch die Fixierung auf einzelne Grenzwerte sind die Grundlagen der Güte-merkmale und ihrer Verknüpfungen nicht mehr unmittelbar verständlich und können somit auch nicht Basis für die Festlegung angestrebter Ziele der Beleuchtung sein.

Vornehmlich aus diesen Gründen ist die einseitige Praxis der „quantitativen“ Licht-planung in die Kritik geraten. In nationalen Gremien, wie z.B. der LiTG, und in inter-nationalen, wie z.B. der CIE, suchen Lichtplaner, Lichtdesigner und andere Licht-fachleute nach Wegen und Ansätzen einer umfassenderen Lichtplanung. Diese soll auf neu zu definierenden, den Nutzer-Wünschen besser entsprechenden Lichtqualitäten basieren und die Entscheidungskriterien besser beschreiben. Die IESNA hat bereits 2000 ein „Lighting Handbook “ herausgegeben, dass in diese Richtung weist.

Im Folgenden möchte ich den Weg vom Nutzerwunsch zur praktischen Umsetzung von Lichtqualitäten aufzeichnen, der zu ähnlichen Ergebnissen wie das IES Lighting Handbook führt.

1 Autogenerierte Anforderungen

Zum besseren Verständnis soll folgendes Gedankenexperiment dienen:
Sie betreten einen Raum mit drei unterschiedlich (hell) beleuchteten Arbeitstischen. Ihre Wahl, an welchem Tisch Sie die nächsten Stunden verbringen wollen, wird von einer Reihe Faktoren abhängen:

  • (Seh-) Aufgabe (will ich lesen oder mich unterhalten?)
  • Zeit (wie spät ist es?)
  • Ort (bin ich in einer Hotel-Lobby oder in einem Büro?)
  • Soziales Umfeld (bin ich allein im Raum?)
  • Architektonisch / ästhetische Stimmigkeit (wo ist es am schönsten?)
  • Persönlichkeitsstruktur (möchte ich gesehen werden oder mich verstecken?)
  • Aktueller körperlicher Zustand (bin ich müde und erschöpft?)
  • Vorerfahrung (wie sah der Raum beim letzten Mal aus?)


Aus diesen Faktoren (Fragen) lassen sich Forderungen der Betrachtenden an die Beleuchtung (z.B. wie folgt) ableiten:

  • Die Beleuchtung soll mir die Arbeit erleichtern (Aufgabe)
  • Die Beleuchtung soll mir helfen, mich zu orientieren (Orientierung)
  • Die Beleuchtung / Beleuchtungsanlage soll meine ästhetischen Ansprüche befriedigen (Asthetik)
  • Die Beleuchtung soll der (Tages-)Zeit entsprechen. (Zeit) usw.

Diese und weitere Forderungen sind in der lichttechnischen Literatur [mit Bezug auf William Lam] als “ human needs“ definiert. Da sie immer von den Nutzenden aufgestellt werden, möchte ich sie im Folgenden als autogenerierte Anforderungen bezeichnen.

Aufgrund des sich ständig ändernden intra- und interindividuellen Profils der Gesamtheit dieser autogenerierten Anforderungen an die Beleuchtung kann es die einzig richtige Beleuchtung für eine (durch äußere Faktoren) definierte Situation nicht geben.
Die Wahl des „richtig“ beleuchteten Tisches in unserem Gedankenexperiment ist so gesehen für Außenstehende nicht zu entscheiden.

Es sei denn, die Anforderungen werden nicht als autogeneriert betrachtet, sondern nach einer übergeordneten, an dem jeweiligen Nutzerkollektiv ausgerichteten Optimierungsstrategie gewichtet. Solche Optimierungsstrategien können sein:

  • Gesundheit,
  • Architektur
  • Produktivität
  • Wohlbefinden
  • Corporate Identity usw.

Jede Optimierungsstrategie zeichnet sich durch ein Gewichtungsprofil aus, mit dem die einzelnen Anforderungen in ihrer Bedeutung eingestuft werden.

So gesehen betrachten die lichttechnischen Normen und Vorschriften die Beleuchtung von Arbeitsstätten bislang im wesentlichen unter der Optimierungsstrategie „Produktivität“ – wie muss die Beleuchtung aussehen, sodass die Sehaufgaben leicht, schnell und fehlerfrei durchgeführt werden?

Wenn, und davon ist in fast allen Fällen auszugehen, die Qualität der Beleuchtung eines konkreten Arbeitsplatzes von mehreren Anforderungen abhängt, dann ist es nötig, Kausalzusammenhänge zu beschreiben und somit im konkreten Fall nachvollziehbare Entscheidungsabläufe zu ermöglichen. Wird die Betrachtungsweise durch die Produktivität bestimmt, so ist die Hauptanforderung sicherlich die schnelle und leichte Lösung der Sehaufgabe.

Ist das Optimierungsziel eine die Gesundheit fördernde Arbeitsumgebung (was wiederum einer langfristigen Produktivitätsoptimierung entspräche, aber wir wollen die Sache nicht zu kompliziert machen), so sind sicherlich weitere Anforderungen wie Zeit, Ort, soziales Umfeld usw. von hoher Bedeutung. Auch müssen aufgrund unterschiedlicher u.U. widersprüchlicher Anforderungen Prioritäten gesetzt werden. So ist es vorstellbar, dass der oder die Nutzer/in in den dunklen letzten Arbeitsstunden eines Wintertages ein unter dem „Richtwert“ liegendes Beleuchtungsstärkeniveau als angenehmer empfindet. Die Anforderungen „Aufgabe“ und „Zeit“ widersprechen sich. Es hängt von der Optimierungsstrategie ab, welche Anforderung höher eingestuft wird. Die Optimierungsstrategie legt die Wichtung der Anforderungen fest.


2 Lichtqualitäten

Die Umsetzung der Anforderungen wird in der Regel über mehrere Lichtqualitäten erfolgen. Unter Lichtqualitäten sind hier die verschiedenen Eigenschaften der Beleuchtung zu verstehen, welche für die Nutzer eindeutig unterscheidbar sind: Dies können z.B. sein: Farberscheinung, Lichtverteilung im Raum, Helligkeit, Blendung (Störung) Schattigkeit, zeitliche Variabilität.

Eine Anforderung kann mit vielen Lichtqualitäten verknüpft sein; in der Regel werden aber einige Lichtqualitäten wichtiger für die Erfüllung der Anforderung sein als andere. So dürfte für die Anforderung „Aufgabe“ in der Regel „Helligkeit“ wichtig sein und „Farberscheinung“ weniger wichtig. (Es sei denn, es handelt sich um einen Arbeitsplatz, an dem Farben eine große Rolle spielen – z.B. in einer Werbeagentur).

Ahnlich, wie die Optimierungsstrategie eine Hierarchie der Anforderungen durch Wichtung aufbaut, werden auch bei jeder Anforderung, die für Ihre Umsetzung notwendigen Lichtqualitäten gewichtet.

Das Ergebnis dieser doppelten Wichtung können ähnliche Tabellen sein, wie wir sie im Prinzip aus den bestehenden Normen und Regelwerk her kennen: Einzelner Aufgaben / Situationen werden bestimmte Forderungen an bestimmte Lichtqualitäten zugewiesen. Allerdings gibt es einen entscheidenden Unterschied:

Auf dieser Ebene der Lichtqualitäten werden keine Quantifizierungen vorgenommen und keine Grenzwerte angegeben, Einzelne Lichtqualitäten werden sich vielmehr durch ihre Wichtung auszeichnen, die die Hierarchie der zu beachtenden einzelnen Qualitäten festschreibt. In einem Flur z.B., wird die Unterstützung der Orientierung durch die Lichtverteilung über die Vermeidung von Störung dominieren. An einem Arbeitsplatz mit starker mentaler Arbeitsbelastung wird die Reihenfolge umgekehrt sein.


3 Operationalisierung

In der Reihenfolge ihrer Wichtung erfolgt die Operationalisierung der einzelnen Lichtqualitäten, d.h. deren Umsetzung in die Praxis. Wo sich einzelne Qualitäten über quantifizierbare Größen beschreiben lassen, können zur Umsetzung Werte oder Wertebereiche angeben werden. Wenn z.B. „Störung“ eine hohe Wichtung erfährt, so dürfen z.B. zur Vermeidung von Direktblendung bestimmte UGR-Werte nicht überschritten werden und bei spiegelnden Arbeitsmedien ist der Nachweis der Reflexblendungs-Vermeidung z.B. über CRF-Grenzwerte zu führen.

Kann eine Lichtqualität nicht durch skalierbare Größen beschrieben werden, muss auf anderem Weg nachgewiesen werden, dass sie bei der Planung adäquat behandelt wurde. Beim Flur ist so z.B. von dem Lichtplaner anzugeben, auf welcher Weise seine Planung die Orientierung unterstützt.

Für diese Operationalisierungen werden sich rasch Konventionen durchsetzen, welche in „Handbüchern“ beschrieben werden.


4 Vereinbarungen

Wir haben es bei dem dargestellten Entwurf einer Lichtplanung über Lichtqualitäten mit einem Planungssystem zu tun, welches über drei Entscheidungs- und damit potentiellen Vereinbarungsebenen verläuft.

  1. Die Optimierungsstrategie wird festgelegt. Dies erfolgt auf Basis Planungsziels: Sicherheit, Produktivität, CI, Gesundheit, usw. Hieraus ergibt sich eine Hierarchie der Anforderungen.
  2. Die einzelnen Anforderungen – z.B. „Arbeit“ werden durch unterschiedliche Lichtqualitäten in Abhängigkeit der Situation umgesetzt. Es folgt hieraus eine Hierarchie der Lichtqualitäten. Im Büro z.B., für die Anforderung „Arbeit“, besitzt die Lichtqualität „Störung“ eine hohe Priorität, die Farberscheinung eine weniger hohe, usw.
  3. Die Lichtqualitäten werden in der Reihenfolge ihrer Hierarchie operationalisiert – die Vermeidung der „Störung“ z.B. kann durch niedrige UGR-Werte nachgewiesen werden.


Für alle drei Stufen können in einem technischen Handbuch Methoden beschrieben werden, die Empfehlungs-Charakter besitzen oder in Einzelfällen auch verbindlich sein können. (z.B. Basisforderungen zur Sicherstellung der Gesundheit)

Während die sich aus 1 und 2 ergebenen Hierarchien noch leicht und widerspruchsfrei erstellen lassen (bei klarer Vorgabe der Optimierungsstrategie) wird die 3. Stufe am ehesten Gegenstand schwieriger – aber wichtiger – Vereinbarungen und Festlegungen zwischen Planer und Bauherr. Hier wird letztendlich der Standard des gesamten Projektes festgelegt.

In unserem letztgenannten Beispiel wird hier darüber entschieden, ob die unbestritten wichtige Qualität „Störung“ z.B. durch eine Beleuchtungsanlage mit UGR 19 oder UGR 16 zu operationalisieren ist. Es ist daher notwendig, gerade an dieser Stelle klare und nachvollziehbare Empfehlungen auszusprechen.


© 2001 Dr.-Ing. Paul W. Schmits

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One comment on “Lichtqualitäten – Auch eine Frage der Vereinbarung

[…] mehrere Qualitäten geben. Dies hatte ein Kollege schon vor 20 Jahren thematisiert in CyberLux (hier). Wie man zu einer Lichtqualität auf der Basis menschlicher Bedürfnisse kommen kann, hat Heinrich […]

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