Licht für Gesundheit

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Der neue Stellenwert des Tageslichts in der Beleuchtung von Arbeitsstätten


Autor

Jürgen Dzudzek

Vortrag bei der Konferenz
„Beleuchtung von Bildschirmarbeitsplätzen – Neue Regelungen, neue Konzepte, neue Lösungen“,
4./5. Oktober 2001, Berlin
Veranstalter: ERGONOMIC Institut

Kurzfassung

Gesundheitliche Bedeutung im Rahmen des Sozialgesetzbuchs VII; Definition der Gesundheit durch die WHO; Erhöhung der Leistungsfähigkeit und -möglichkeit; Zusammenhang von Licht und Wahrnehmung; Maßnahmen zur Verbesserung der Belichtung.

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Beitrag

Durch die Reform des Arbeitsschutzrechtes im August 1997 hat das Tageslicht einen völlig neuen Stellenwert bei der Beleuchtung von Arbeitsstätten bekommen. Bei der Bewältigung von Arbeitsaufgaben ist die Erfüllung der Sehaufgabe nicht länger mehr die einzige Anforderung an die Lichtverhältnisse in Arbeitsstätten. Durch ihre Gestaltung sind nunmehr auch arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren zu vermeiden.

Diese neue Aufgabe erfordert, die Lichtverhältnisse in Arbeitsstätten hinsichtlich ihrer Qualität und hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Wirkungen auf Menschen zu betrachten. Ihre Betrachtung wirft die Frage nach dem Maßstab zur Beurteilung der Qualität der Lichtverhältnisse in Arbeitsstätten auf. Aufgrund der Prägung des Menschen seit seinen Anfängen durch das Tageslicht der Sonne kann der Maßstab nur Tageslicht sein, denn Tageslicht ist ergonomisch einwandfrei.

Die Messung künstlicher Beleuchtung am Tageslicht hinsichtlich ihrer gesundheitlichen Qualität bezieht sich auf Parameter wie das Vorhandensein, die Vollständigkeit sowie die Verteilung des Farbspektrums, das durch Lichtfarbe und Farbwiedergabe bestimmt wird, oder der Stetigkeit der Strahlung der Lichtquelle.

Die Qualität des Tageslichts bemisst sich wiederum an ihren Wirkungen auf den Menschen. Wesentliche Wirkungen entstehen aus den Rhythmen der Einstrahlung des Sonnenlichts und seiner Abwesenheit, insbesondere dem Tag-, Nacht- und dem Jahresrhythmus. Es gibt eine Vielzahl von chronobiologischen Wirkungen auf Vitalfunktionen wie zum Beispiel Blutdruck, Atmung, Wärmehaushalt, Stoffwechsel, Hunger, Durst und Sexualität. Das Hormon Melatonin regelt tagesperiodische Rhythmen. Seine Ausschüttung erfolgt nur bei Dunkelheit. Lichteinfluss unterdrückt die Melatoninproduktion. Eine Störung des tagesperiodischen Rhythmus‘ ist eine wesentliche Gesundheitsgefährdung.

Die im neuen deutschen Arbeitsschutzgesetz von August 1997 festgelegte Norm der Vermeidung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren ist eine Umsetzung einer entsprechenden Norm in der europäischen Arbeitsschutz-Rahmenrichtlinie aus dem Jahre 1989, die auf dem von der WHO definierten Gesundheitsbegriff basiert. Sowohl die WHO-Gesundheitsdefinition aus dem Jahre 1948 als auch die sog. Ottawa-Charta der WHO aus dem Jahre 1977 gehen deutlich über den bis 1997 in der Bundesrepublik Deutschland rechtlich geltenden Gesundheitsbegriff der „körperlichen Unversehrtheit“ hinaus. Die WHO-Definition von Gesundheit sichert den insbesondere für Arbeitnehmer bedeutenden Anspruch auf Schutz vor physikalischen Einwirkungen und Erhalt eines ausgewogenen psycho-sozialen und eines natürlichen Umfeldes als Bedingungsgefüge für ein aktives und in diesem Sinne gesundes Leben.

Licht und Beleuchtung zählen zu den physikalischen Einwirkungen, die sinnlich erlebbar, deren Auswirkungen zum Teil erfahrbar zum anderen Teil aber unerfahrbar oder unbewusst sind. Dazu zählt die visuelle Wahrnehmung. Sie ist eine bewusste wie auch unbewusste Aufnahme von Bildern, das heißt zeitlicher und räumlicher Zusammenhänge, und elektromagnetischer Strahlung. Dabei ist der Einfluss von Licht auf die Wahrnehmung ganz erheblich, denn Licht erhellt die Wahrnehmung. Dies ist durchaus wörtlich zu nehmen. Von der Helligkeit abhängig ist der Grad der Wahrnehmungsaktivitäten. Die Wahrnehmung ist kein passiver, sondern ein von der Intensität des Lichtes abhängiger aktiver Vorgang der Aneignung der das Individuum umgebenden Welt. Eine aktive Wahrnehmung ist eine wesentliche Bedingung für Lernen und Kreativität. Dabei werden Informationen im Hippokampus zwischengespeichert, nachts in den Tiefschlafphasen dem Kortex vorgespielt und hier verfestigt. Die Lernleistung ist umso höher, desto besser und tiefer man nachts schlafen kann. Schlafstörungen beeinträchtigen die Gedächtnisleistungen. Die positive Beeinflussung eines gut ausgeprägten Tag-Nacht-Rhythmus‘ durch hohe Lichtaufnahme am Morgen fördert sowohl die Wahrnehmungs- wie auch die Gedächtnisfähigkeiten.

Arbeitsbedingte Gesundheitsgefahren können auch durch unbewusste Wahrnehmung entstehen. Leuchtstofflampen mit konventionellen, induktiven Vorschaltgeräten pulsieren mit deutlichen Dunkeleinbrüchen. Leuchtstofflampen mit 50-Hz-Wechselstrom zünden richtungswechselnde Lichtblitze mit einer Frequenz von 100 Hz. Untersuchungen, die festgestellt haben, dass ein 100 Hz-Flimmern von Menschen nicht mehr wahrgenommen wird, liegen damit durchaus richtig. Ihre Schlussfolgerung, deshalb stünden Beschwerden wie Kopfschmerzen, Verspannungen der Augenmuskulatur u. A. damit nicht im Zusammenhang, ist jedoch falsch, da die Pulsation des Lichtes durchaus unbewusst als Stressbelastung wahrgenommen wird.

Wesentlicher als die Folgen der Einwirkung von Licht auf den Menschen, die völlig natürlich ist, erscheinen die Folgen des Mangels an Licht. Der Mensch ist aufgrund der seit Jahrtausenden bestehenden Bedingungen seiner Lebensumstände ein Lichtwesen, das für seine Gesunderhaltung ein erhebliches Maß an Sonnenlicht benötigt. In der freien Natur können selbst an dunklen Novembertagen noch rund 6000 Lux gemessen werden. Das ist ungeheuer viel Licht gegenüber der Nennbeleuchtungsstärke von selbst normgerecht ausgeleuchteten Arbeitsstätten.

Arbeitsstätten erscheinen im Vergleich zum Tageslicht vielfach als moderne Höhlen. Die bisher gängigen Normen für die Beleuchtung von Arbeitsstätten von 300 bzw. 500 Lux sind sicherlich für die Erfüllung tätigkeitsbezogener Sehaufgaben ausreichend, nicht jedoch für die dauerhafte Gesunderhaltung von Arbeitnehmern, die einen großen Teil ihres Leben in, gemessen am Tageslicht, viel zu dunklen Arbeitsstätten verbringen. Arbeitsschutznormen für die Beleuchtung von Arbeitsstätten müssen zur Vermeidung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren künftig den Vorrang von Tageslicht vor künstlicher Beleuchtung uneingeschränkt vorschreiben. Anders ist der Auftrag des Arbeitsschutzgesetzes von 1997 zur Vermeidung arbeitsbedingter Gesundheitsgefahren, trotz aller Verbesserungen der Leuchtmittel, nicht umzusetzen.


© 2001 Dipl.-Päd./Dipl.-Soz.W. Jürgen Dzudzek

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