“Lux vita est”, Licht ist Leben, hieß es, noch bevor unsere Zeitrechnung begann. Auch ohne Bibellektüre fällt es leicht zu glauben: Erst wurde Licht, dann Leben auf Erden. Von dem Tag an, als die Menschen die ersten Gebäude zum Wohnen und Arbeiten bauten, bis etwa zum Jahre 1950 bestand lux fast ausschließlich aus Sonnen- und Tageslicht. Und das, obwohl die Geschichte der künstlichen Beleuchtung fast so alt ist wie die der Baukunst. Deren Nutzung beschränkte man allerdings gerne auf das Notwendigste, denn sie war teuer, mit diversen unangenehmen Effekten wie Wärme und Rauch verbunden und nicht selten “anrüchig” wie die Karbidlampe. Selbst Goethe hat den etwa im Jahre 1950 wahr gewordenen Zustand herbeigesehnt: “Sie könnten nichts besseres erfinden, als wenn die Lampen ohne zu putzen brenneten.”
Mit der Verfügbarkeit der Leuchtstofflampe als billige Lichtquelle, die man nur selten putzen muss, wurden nicht nur Träume der Lichttechnik wahr. Die Architektur hat in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts mit atemberaubender Geschwindigkeit von ihren Traditionen Abschied genommen, zu deren ausgeprägtesten die Konzeptionierung der Gebäude nach Tageslichtnutzung gehörte. Kaum war aber die Leuchtstofflampe wirtschaftlich nutzbar geworden, schon wurden die ersten fast tageslichtlosen Grossraumbüros gebaut. Zum Ende der 60er Jahre plante und baute man bereits fensterlose Schulräume und Zellenbüros. Das Zentralgestirn unserer Galaxie hatte seine Rolle als Dreh- und Angelpunkt für die Architektur von Arbeitsstätten (vorerst) verloren. Zum Beleuchten brauchten wir die Sonne nicht mehr.
Doch heute beginnt man zu erkennen, was man damit angerichtet hat. „Experten“, die noch vor Kurzem „ihr“ Licht, das nach ihren Normen, als Voraussetzung für Sicherheit und Gesundheit wähnten, halten heute Kongresse ab, die sich mit dem Thema „Licht und Gesundheit“ auseinandersetzen. Was sie einst für die beste Lösung hielten, gilt sogar als gesundheitsschädlich.
Kunstlicht kann – und sollte – mehr sein als ein bloßer Erfüllungsgehilfe für Sehaufgaben. Die Lichtplanung der Zukunft wird daher eine „Lichtkunst“ sein, die auch mit den medizinisch-psychologischen Wirkungen des Lichts verantwortungsvoll umgeht.
Und zu diesen gehören untrennbar die Wirkungen des Tageslichts. Anstelle das Licht der Sonne nachahmen zu wollen, um den ewigen Sommertag in Wohnungen und Arbeitsstätten 24 Stunden lang auf Knopfdruck herzustellen, wird man sich eher damit beschäftigen müssen, wie man die positiven Wirkungen des Tageslichts unterstützt. Hell wie der lichte Tag – ist nur der lichte Tag.
Wir müssen uns aber stets vor den Augen halten, dass der lichte Tag nicht nur Helligkeit bringt. Das Tageslicht ist stets verbunden mit nicht sichtbarer Strahlung, die allerdings umso wichtiger ist für die biologischen und psychischen Wirkungen. In Innenräumen suchte man einen Teil davon, UV, weitgehend vergebens, weil unsere Fenstergläser nur wenig UV durchließen. Im Zuge der Energieeffizienzdebatte sind auch die letzten Reste verschwunden, weil die „hochwertigen“ Glasfassaden sie verschlucken. Wenn es denn dabei bliebe. Zum Schutze des Gebäudes gegen Wärmeverlust und gegen Wärmezufuhr werden Gläser eingesetzt, die auch das Infrarot fast vollkommen beschneiden. Auch vom „lichten“ Tag, also von der sichtbaren Strahlung, wird ein Teil abgeschnitten – bezeichnenderweise der, den man mit „biologisch“ wirksamer Beleuchtung in den Innenraum bringen möchte.
Gegen die letzteren Probleme sind wir machtlos, weil man sie einfach nicht sieht. Nur mit teueren Laborinstrumenten kann man sie messen. Kaum jemand in der Gesellschaft nimmt sie wahr, die Betroffenen vielleicht, aber dann nur indirekt und nicht bewusst.
Vermutlich wird man nie künstlich UV in Arbeitsräume bringen. Privatleute mögen dies tun, werden sich aber meistens davor hüten. Was bleibt übrig? Warum nicht das Naheliegende tun?