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Das Gebrauchstauglichkeitskonzept – Der zukunftssichere Ansatz für die Planung


Autor

Ahmet Cakir

Vortrag bei der Konferenz
„Beleuchtung von Bildschirmarbeitsplätzen – Neue Regelungen, neue Konzepte, neue Lösungen“,
4./5. Oktober 2001, Berlin
Veranstalter: ERGONOMIC Institut

Kurzfassung

Der Teil 11 von DIN EN ISO 9241 ist eine Basisnorm für die Gestaltung, Planung und Beschaffung von Produkten, so auch für die Beleuchtung von Bildschirmarbeitsplätzen. Wesentliche Merkmale sind: Definition von Gebrauchstauglichkeit im Hinblick auf den Benutzer, Geltungsbereich der Gebrauchstauglichkeitsmaße Effizienz, Effektivität und Zufriedenstellung für das gesamte Arbeitssystem, d. h. auch für die Beleuchtung, Anleitungen zur Festlegung von kontextbezogenen Gebrauchstauglichkeitsmerkmalen, im Fall der Beleuchtung sind dies die spezifischen Ausprägungen der Gütemerkmale.

Beitrag

1 Zum Konzept der Gebrauchstauglichkeit

Gebrauchstauglichkeit ist ein neues Konzept in der Normung, das für die Gestaltung, Planung oder Beschaffung von Produkten und Einrichtungen herangezogen werden kann. Der Begriff wurde in DIN EN ISO 9241-11 „Ergonomische Anforderungen für Büroarbeit mit Bildschirmgeräten, Anforderungen an die Gebrauchstauglichkeit – Leitsätze“ eingeführt. Die Gebrauchstauglichkeitsmaße – Effektivität, Effizienz und Zufriedenstellung – und die dazugehörigen Kriterien können dazu benutzt werden, die Übereinstimmung, aber auch die Divergenz, von Beurteilungskriterien der Beleuchtung aus der jeweiligen Interessenlage der Beteiligten – Benutzer, Anwender, Betreiber und Investor – transparent darzustellen.

Die Gebrauchstauglichkeit beschreibt die Art und Weise, wie die Eignung eines Produkts bzw. einer Einrichtung für einen vorgegebenen Zweck bestimmt werden kann. Sie stellt ein besonderes Qualitätskriterium dar – eine Qualitätsbeschreibung in Bezug auf die Nutzung eines Produkts. Sofern der Zweck im Voraus und in allen notwendigen Details bekannt ist, kann im Allgemeinen davon ausgegangen werden, dass eine spezifische Norm die für die Gebrauchstauglichkeit erforderlichen Gestaltungsmerkmale beschreibt. Mit der Erfüllung einer solchen Norm hat der Anwender im Allgemeinen die Sicherheit, dass die Einrichtung gebrauchstauglich ist. Weitergehende Betrachtungen erübrigen sich somit.

In der heutigen Arbeitswelt sind die Voraussetzungen aber anders: Der ständige Wandel der Rahmenbedingungen, so z.B. der Arbeitsaufgaben und der Technik, stellt besondere Anforderungen an Produkte und Umwelt, insbesondere an langlebige Einrichtungen wie eine Beleuchtungsanlage für Arbeitsräume. Mit der Anderung des Nutzungszwecks bzw. des Nutzungskontexts kann sich die Eignung ebenfalls ändern. Dies war im Bürobereich der Fall, als sich die Arbeit von rein papiergebundener Arbeitsweise (vor mehr als 20 Jahren) in eine Mischform (Papier und Bildschirm) gewandelt hat, und heute bei vielen Arbeitsplätzen in eine reine bildschirmgestützte Arbeitsweise übergegangen ist. Hierdurch hat sich die Bedeutung der Beleuchtung vollkommen verändert. Die Technik hat es auch ermöglicht, einen Teil der Arbeitsplätze bzw. einen Anteil der täglichen Arbeit nach Hause zu verlegen. Nicht wenige Wohnräume werden anteilig als Arbeitsräume benutzt, wobei „anteilig“ sowohl zeitlich als auch räumlich zu verstehen ist.

Da die Bildschirmarbeitsverordnung und die Arbeitsstättenverordnung eine Anpassung der Beleuchtung an die Sehaufgabe zwingend fordern, muss die Anwendung von Beleuchtungsnormen dem Nutzungskontext entsprechend vorgenommen werden. Dies wird nach dem Gebrauchstauglichkeitskonzept der DIN EN ISO 9241-11 sinnvollerweise nach den drei Kriterien Effektivität, Effizienz und Zufriedenheit des Benutzers bzw. Zufriedenstellung von Bedürfnissen vorgenommen. Für den Fall der Beleuchtung bedeutet dies:

  • Die Effektivität beschreibt den Erreichungsgrad von Benutzerzielen. Wenn Leuchten beispielsweise als Zweckbeleuchtung vorgesehen werden sollen, kann die Effektivität daran gemessen werden, wie gut die Arbeitsobjekte beleuchtet werden.
  • Die Effizienz beschreibt den Aufwand des Nutzers, der zum Erreichen einer bestimmten Effektivität eingesetzt werden muss. Das Maß lässt sich z.B. aus dem Zeitaufwand für die Erledigung einer bestimmten Aufgabe, aber auch aus dem Grad der Ermüdung des Nutzers einer bestimmten Beleuchtung bzw. der Beschwerden, die eine bestimmte Sehaufgabe verursacht, ermitteln.
  • Die Zufriedenstellung von Bedürfnissen beschreibt einerseits die Freiheit von Beeinträchtigungen (z.B. Blendfreiheit) und andererseits die Akzeptanz des Betrachtungsgegenstands, so z.B. die Zufriedenheit mit der Lesbarkeit von Sehobjekten bei Zweckbeleuchtung. Sie geht über die bloße Vermeidung negativer Effekte hinaus.

2 Aufzeigen von Lösungs-Wegen anstatt Lösungs-Vorgaben

Normen, die nach dem Konzept der Gebrauchstauglichkeit gestaltet worden sind, sind „ergonomische“ Normen. Sie versuchen nicht, eine bestimmte Lösung vorzugeben, auch wenn sie die beste zu sein scheint, sondern sie geben den Weg vor, wonach man die richtige Lösung unter den jeweils gegebenen Umständen finden kann bzw. soll. Plant man beispielsweise die Möblierung eines Büros, würde eine übliche Norm als Antwort auf die Frage nach der Tischgröße eine Fläche von 1600 x 800 mm vorgeben (s. DIN 4559).

Dies mag für eine Reihe von Aufgaben und Arbeitsräumen ein hinreichend guter Hinweis sein. Für viele Arbeitsplätze wird die Antwort aber weder hinreichend noch nützlich sein. So wird in vielen Fällen der Tisch zu breit oder zu tief sein, in nicht weniger Fällen aber wird genau das Gegenteil eintreten. Eine ergonomische Norm wird hingegen darstellen, wie man beispielsweise die Bautiefe des Bildschirms und die sinnvolle Sehentfernung für eine bestimmte Sehaufgabe berücksichtigt, um daraus die erforderliche Tischtiefe zu ermitteln. Diese kann zwischen 1200 mm (21″-Monitor für CAD, älterer Mitarbeiter) und 600 mm (LCD-Bildschirm, Schulkinder) liegen. Maßgeblich sind hierbei die Aufgabe, die dazu benötigte Technik, die vorgesehenen Benutzer und die Umgebung, in der die Aufgabe verrichtet werden soll.

Dieser Vorstellung entsprechend gaben z.B. die „Sicherheitsregeln für Bildschirm-Arbeitsplätze“ (ZH1/618) bereits im Jahre 1980 nur die Minimalabmessungen für Arbeitstische vor und verlangten, dass man die jeweils benötigten Abmessungen nach den Nutzungsbedingungen wählt.

3 Anwendung auf die Beleuchtung

Die Bedeutung des Konzepts lässt sich an Leuchten demonstrieren, die für verschiedene Einsatzgebiete konzipiert worden sind, so z.B. an Arbeitsplatzleuchten für die Arbeit an Bildschirmgeräten und an Maschinen. Obwohl beide Produktgattungen dem gleichen Zweck dienen, der Ausleuchtung eines Ausschnitts des Arbeitsbereichs, sind sie sowohl in ihren lichttechnischen Eigenschaften als auch in ihren sonstigen Merkmalen sehr unterschiedlich. Dies ist nicht zuletzt Folge davon, dass die Berücksichtigung der drei Kriterien – Effektivität, Effizienz und Zufriedenstellung – zu unterschiedlichen Ergebnissen führt.

3.1 Effektivität

Die Effektivität lässt sich bei exakt definierten Sehaufgaben an deren Unterstützung messen. So wird man bei einer Maschinenleuchte das genaue Erkennen der Bearbeitungsstelle bewerten. Eine nicht ganz effektive Beleuchtung erzeugt z.B. eine Reflexblendung, die die Erkennbarkeit herabsetzt. Daher kommt der Präzision der Wahl der Lichteinfallsrichtung eine hohe Bedeutung zu. Die Leuchte kann naturgemäß auch Direktblendung erzeugen, die die Erkennbarkeit ebenfalls beeinträchtigen kann. Ihre physikalischen Abmessungen können eine weitere Minderung der Erkennbarkeit der Bearbeitungsstelle bedingen.

Die Unabhängigkeit des Lichtes von Umwelteinflüssen wie Vibrationen, mechanischen und chemischen Einwirkungen sowie von Stäuben ist ein besonderes Effektivitätsmaß für Leuchten in der Produktion. Bei Arbeitsplatzleuchten, die für ähnlich präzise definierte Sehaufgaben im Bürobereich gestaltet werden, z.B. bei Zeichentischleuchten, lässt sich die Effektivität anhand der Gleichmäßigkeit über eine relativ große Fläche belegen, selbstverständlich auch hier unter Vermeidung von Reflex-blendung. Bei Arbeitsplatzleuchten für die Bildschirmarbeit ist das Hauptkriterium für die Effektivität das Erzielen variabler Beleuchtungsstärken in verschiedenen vom Benutzer bestimmten Ebenen bei gleichzeitiger Vermeidung von Direktblendung an benachbarten Arbeitsplätzen und von Reflexblendung auf dem eigenen Bildschirm.

3.2 Effizienz

Effektivität, d.h. die Vollständigkeit und Genauigkeit der Zielerreichung, kann man bei vielen Sehaufgaben mit unterschiedlichen Beleuchtungseinrichtungen erreichen. Der erforderliche Aufwand für die Erledigung der Arbeitsaufgabe kann dabei sehr unterschiedlich ausfallen:

  • Man kann zwar bei 10 lx Texte lesen, jedoch mühevoll und recht langsam.
  • Der Reflexblendung auf dem Werkstück kann der Benutzer u.U. ausweichen, aber zu Lasten der Körperhaltung.
  • Rotierende Teile, die wegen des Stroboskopeffektes stillstehend erscheinen, kann man häufig auch an anderen Merkmalen erkennen. Dies ist anstrengend und erhöht auch die Unfallgefahr.

Die Effizienz, mit der man den Sehaufgaben genügen kann, stellt den eigentlichen Grund für die Unterschiedlichkeit von Leuchtenkonstruktionen wie von Beleuchtungsplanungen dar. Bei gleicher Effektivität, d.h. der Benutzer kann alle Gegenstände erkennen, die zu erkennen sind, kann die Effizienz extrem unterschiedlich ausfallen, wobei man eine geringere Effizienz bei Büroleuchten eher in Kauf nehmen kann als bei Maschinenleuchten.

Die Berücksichtigung der Effizienz neben der Effektivität ist in der Lichttechnik an sich nichts Neues, man hat bei Festlegungen immer einen sogenannten „Komfortfaktor“ eingerechnet. Bei dieser Vorgehensweise wurde der Schwellenwert für eine Sehaufgabe (z.B. Mindestwert des Kontrasts zum Erkennen eines kleinen Objekts) bestimmt (entspricht Effektivität) und für die Praxis mit einem Zuschlag versehen, der für ein komfortables Sehen sorgen soll. Damit wird die Effizienz entsprechend erhöht.

Der eigentliche Unterschied der Vorgehensweise in der Ergonomie zur der in der Lichttechnik besteht darin, dass man hierbei nicht die „Benutzer“ kollektiv berücksichtigt, sondern auf individuelle Unterschiede eingeht, die beim Lichtbedarf sehr unterschiedlich ausfallen können. Die Lichttechnik unterscheidet auch nicht zwischen Effektivität und Effizienz, wodurch ihre Festlegungen angreifbar werden. So ist nachgewiesen, dass die Sehleistung bei den meisten Büroaufgaben bei ca. 50 lx ein Maximum erreicht. Wozu benötigt man dann höhere Beleuchtungsstärken? Würde man die Effizienz berücksichtigen, könnte man sie sehr wohl begründen.

3.3 Zufriedenstellung

Unter diesem Kriterium würde man in der Lichttechnik in herkömmlichen Sinne eine Störungsfreiheit (Blendfreiheit) verstehen. In der Ergonomie geht man einen Schritt weiter und versucht, Zufriedenheit zu beschreiben, d.h. eine positive Wirkung und nicht nur eine Freiheit von Störung. Ein solcher Ansatz stellt nicht nur eine theoretische Erweiterung der Betrachtungsweise der Lichtqualität dar. Er ist vielmehr fundamentaler Natur, da die gleichen physikalischen Merkmale einer Beleuchtung bzw. einer Leuchte situationsabhängig positiv wie negativ wirken können. So sind „Glanz“ und „Reflexblendung“, physikalisch gesehen, dem gleichen Vorgang zuzuordnen. Und die gleiche lichttechnische Größe, z.B. die Leuchtdichte einer Leuchte, kann in der einen Umgebung (Arbeitsstätte) eine „psychologische“ Blendung beschreiben, während sie in einer anderen (Ballsaal) die Lichtfülle einer anregenden Umgebung kennzeichnen kann.

In der Lichttechnik hat man dieser Tatsache bislang versucht zu entsprechen, indem man die Betrachtungsobjekte in zwei Gruppen eingeteilt hat: Räume, für die die Normen einschließlich ihrer Betrachtungsweisen zu den Gütekriterien wie Blendungsbegrenzung gelten, und sog. „stimmungsbetonte“ Räume, für die man sich weitgehend für unzuständig erklärt. In den letzteren sollen „in besonderem Maße gestalterische Gesichtspunkte und solche der Behaglichkeit eine Rolle“ spielen (DIN 5035-1), wodurch sich diese nach Meinung der Autoren der Norm einer „lichttechnischen“ Betrachtungsweise entziehen, es sei denn, in solchen Räumen wird auch gearbeitet.

Dann sind die gleichen Gesichtspunkte wie in Arbeitsstätten anzuwenden. Wenn man sich solche Räume aber in der Praxis anschaut, z.B. Hotelfoyers, Konzertsäle, Kundenberatungsräume etc., erkennt man unschwer, dass die empfohlene Vorgehensweise keine Chance hat, Eingang in die Praxis zu finden. Anders hingegen nach dem Konzept der Gebrauchstauglichkeit, bei dem man für jede Gruppe von Benutzern Maße für Effektivität und Effizienz bestimmen sowie ihre zufrieden zu stellenden Bedürfnisse und Anforderungen festlegen kann. Danach lässt sich bewerten, ob und ggf. in welchem Maße die zu findende Beleuchtungslösung gebrauchstauglich aus der jeweiligen Sicht sein wird. Im Idealfall kann man die Beleuchtung z.B. lokal derart modifizieren, dass sie für alle gebrauchstauglich wird.

In einer solchen Betrachtungsweise stellt die unterschiedliche Bewertung ein- und des gleichen Objekts, hier Blendungsquelle, dort stimulierender Glanzpunkt, keinen Widerspruch in sich dar. Das Gebrauchstauglichkeitskonzept erschließt dem Lichttechniker und Planer eine ganzheitliche Betrachtungsweise des visuellen Umfelds und hilft auch, Kompromisse zwischen den Anforderungen unterschiedlicher Benutzergruppen zu finden und transparent zu machen. Im Sinne des Konzepts der Gebrauchstauglichkeit gibt es nicht eine Zweiteilung von Leuchten nach Funktionalität einerseits und Asthetik andererseits, sondern ein Kontinuum der Wertigkeit zwischen den Extremen „rein funktionell“ und „ausschließlich dekorativ“.

Die Zufriedenheit von Benutzern mit einer Beleuchtung von Arbeitsstätten wird i.d.R. nicht unabhängig von den ersten beiden Kriterien, Effektivität und Effizienz, ausfallen, da sie mit einer Zweckbeleuchtung immer eine gewisse Funktionalität verbinden. Dass Funktionales einen ästhetischen Wert mit nachhaltiger Wirkung besitzen kann, zeigen z.B. Arbeitsleuchten aus der Bauhaus-Ara. Manche von ihnen zieren heute mehr als ein halbes Jahrhundert nach ihrer Entstehung elegante Wohnräume.

Besuchen Sie auch www.ergonomic.de und lichtundgesundheit.de


© 2001 Dr.-Ing. Ahmet Çakir


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