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Lichtqualität – Ein Begriff?


Autor

Ahmet Çakir

Kurzfassung

Lichtqualität kann in zweierlei Hinsicht betrachtet werden:

  • Im Sinne der umgangssprachlichen Benutzung des Wortes Qualität, um eine überlegene Beschaffenheit zu bezeichnen, als ein Maß für Exzellenz. Die in der Beleuchtungstechnik bekannten Gütemerkmale werden im Allgemeinen im Sinne von Attributen für eine hochwertige Beschaffenheit verstanden bzw. behandelt.
  • Im Sinne der normierten Nutzung des Begriffs Qualität, um die Eignung des Lichts für seinen Einsatzzweck zu bezeichnen („fit for purpose“) , als ein Maß für Gebrauchstauglichkeit.


So gesehen stellen sich die lichttechnischen Gütemerkmale als eine Mixtur der beiden Bedeutungen für Qualität dar, die eine Gefahr der Missdeutung in sich birgt. Deswegen müssen sie, wie sie auch formuliert sein mögen, bedürfen einer Klärung ihrer Natur.
Der zweite Qualitätsbegriff geht davon aus, dass eine „objektive“ Qualität im Sinne von festgelegten Eigenschaften überhaupt nicht existiert. Sie ergeben sich vielmehr als Antwort auf gestellte bzw. implizierte Anforderungen. Wenn die Beschaffenheit eines Produkts diesen Anforderungen entspricht, hat es ein „hohe Qualität“.
In der Lichttechnik geht man implizit davon aus, dass man die Anforderungen an die Beleuchtung von Arbeitsstätten aus der „Sehaufgabe“ ableiten kann bzw. bereits abgeleitet hätte. Räume, in denen die Sehaufgabe nicht allzu relevant zu sein scheint, werden als „stimmungsbetonte“ Räume bezeichnet, für deren Beleuchtung sich der Lichttechniker nicht zuständig wähnt. Nach welchen Kriterien man die „Sehaufgabe“ bestimmt und nach welcher Methode man daraus Anforderungen an die Beleuchtung abgeleitet hat, bleibt fast allen Beteiligten verborgen. Auf der Website von IESNA wird deutlich herausgestellt, dass die Festlegung der wünschenswerten Eigenschaften der Beleuchtung nach der Sehaufgabe zwar angestrebt worden ist, aber nicht realisiert.
Wenn neue Aspekte als Quelle von Anforderungen an die Beleuchtung diskutiert werden, müssen die Gütemerkmale grundsätzlich infrage gestellt werden. Eine Betrachtungsweise der Beleuchtung, die dem Qualitätsgedanken in dem hier besprochenen Sinne entspricht, ist das Konzept der Gebrauchstauglichkeit. Das Konzept der Gebrauchstauglichkeit kann eine transparente Ableitung von Gestaltungszielen für die Beleuchtung aus diversen Aspekten (s. CIE-Katalog) ermöglichen.

Als völlig neu in der Betrachtung der Beleuchtung von Arbeitsstätten kann man die getrennte Sicht auf

  • „sehrelevante“,
  • „gesundheitsbezogene“ und
  • „raumbezogene“

Aspekte bezeichnen. Hieraus können völlig neue Anforderungen an die Beschaffenheit des Lichts im Allgemeinen, der Beleuchtung und der Leuchten im Spezifischen entstehen. Ob vorhandene bzw. geplante Beleuchtungsanlagen diesen entsprechen, lässt sich nur mit einem mehrdimensionalen Modell beurteilen, das hier angeführt wird.


Beitrag

1. Qualität hat zwei Gesichter – Beide bedürfen einer Betrachtung Der Begriff „Qualität“ stellt eines der ältesten „Kulturgüter“ dar. Er wurde bereits in der Antike geprägt, auch seine Zweideutigkeit. Seit 2500 Jahren haben sich die wichtigsten Denker der Weltgeschichte mit diesem Begriff auseinander gesetzt.

Die wichtigsten Denker seit Aristoteles und Epicur haben dem Begriff bereits weitgehend seine heutigen Bedeutungen gegeben:

  • Qualität als Attribut für (hochwertige) Beschaffenheit
    Der Begriff Qualität wird in der Umgangssprache für eine überlegene Beschaffenheit von Objekten benutzt, z.B. in der Bezeichnung „Qualitätsprodukt“. (entspricht: „primäre“ Qualität)
    Unter Qualität in diesem Sinne wird z.B. verstanden:
    – Qualität als essentielle Eigenschaft (Nature),
    – Qualität als Ausdruck einer Rangordnung (High Society Rank),
    – Qualität als differenzierendes, charakteristisches Attribut (Timbre),
    – Qualität als Maß für Exzellenz (Grade of Excellence)
    – Qualität als inhärente Eigenschaft (z.B. Härte bezogen auf Stahl) .
  • Qualität als Maß für Erfüllung gestellter Anforderungen
    Qualität ist die „Gesamtheit von Eigenschaften und Merkmalen eines Produkts oder einer Tätigkeit, die sich auf die Eignung zur Erfüllung gegebener Erfordernisse beziehen.“ (DIN 55350, Teil 1, ähnlich auch in ISO 8402 und weiteren Normen der ‚European Organisation for Quality Control (EOQC)‘ und der ‚American Society for Quality Control (ASQC)) (entspricht: „sekundäre“ Qualität)

These

Es gibt nicht eine, sondern zwei Lichtqualitäten,
– eine als inhärente Eigenschaft und
– eine als Maß für Erfüllung gestellter Anforderungen.


2 Qualität als Attribut für (hochwertige) Beschaffenheit

Die in der Beleuchtungstechnik bekannten Gütemerkmale werden im Allgemeinen im Sinne von Attributen für eine hochwertige Beschaffenheit verstanden bzw. behandelt.
Man kann diese zwar besser formulieren, erweitern oder reduzieren, ohne dass ein grundsätzlich neues Konzept entsteht. Ob man mit ihnen auskommt oder ein neues Konzept benötigt, muss diskutiert werden.
Die Gütemerkmale stellen im Grunde genommen einen Parameterkatalog dar. Die Ausprägung eines jeden Parameters (z.B. Beleuchtungsniveau, Blendfreiheit), die notwendig ist, um eine „hohe“ Qualität zu erhalten, wird wiederum vom Zweck der Anwendung abhängig formuliert. So wird z.B. für schwierigere Sehaufgaben ein höheres Beleuchtungsniveau empfohlen als für leichtere. Die Ausfüllung der Gütemerkmale entspricht daher eher der zweiten Bedeutung der Qualität, Eignung zur Erfüllung gegebener Erfordernisse oder in Englisch „Fit for purpose“.
So gesehen stellen sich die lichttechnischen Gütemerkmale als eine Mixtur der beiden Bedeutungen für Qualität dar, die eine Gefahr der Missdeutung in sich birgt.

These
Die lichttechnischen Gütemerkmale, wie sie auch formuliert werden mögen, bedürfen einer Klärung ihrer Natur.

3 Qualität als Maß für Erfüllung gestellter Anforderungen

Dieser Qualitätsbegriff geht davon aus, dass eine „objektive“ Qualität im Sinne von festgelegten Eigenschaften überhaupt nicht gibt. Sie ergeben sich vielmehr als Antwort auf gestellte bzw. implizierte Anforderungen. Eine gestellte Anforderung wäre z.B. ein Beleuchtungsniveau von XX Lux, eine implizierte hingegen, dass eine Beleuchtungsanlage unter „normalen“ Bedingungen zuverlässig sein muss. Wenn sich die Einsatzbedingungen kalkulierbar vom „Normalen“ unterscheiden, z.B. Beleuchtung von Schwimmbädern, Außenbeleuchtung, können daraus Anforderungen abgeleitet werden.

In der Lichttechnik geht man implizit davon aus, dass man die Anforderungen an die Beleuchtung von Arbeitsstätten aus der „Sehaufgabe“ ableiten kann bzw. bereits abgeleitet hätte. Räume, in denen die Sehaufgabe nicht allzu relevant zu sein scheint, werden als „stimmungsbetonte“ Räume bezeichnet, für deren Beleuchtung sich der Lichttechniker nicht zuständig wähnt. Nach welchen Kriterien man die „Sehaufgabe“ bestimmt und nach welcher Methode man daraus Anforderungen an die Beleuchtung abgeleitet hat, bleibt fast allen Beteiligten verborgen.

Verfolgt man den genormten Qualitätsbegriff und geht davon aus, dass verschiedene „Aspekte“ zu beachten sind (z.B Wahrnehmungsaspekte, psychologische Aspekte etc.), die in dem CIE-Katalog zusammen gestellt worden sind, stellen sich die derzeit genutzten Gütemerkmale als Eigenschaften dar, die das bewusste Sehen von Arbeitsobjekten in den Vordergrund stellen. Durch ihre mehr oder weniger gelungene Realisierung kann aber durchaus den anderen Aspekten aus dem CIE-Katalog – bewusst oder unbewusst – Rechnung getragen worden sein.

Es ist zu hinterfragen, aus welchen Gründen festgelegt worden ist, dass das bewusste Sehen von Arbeitsobjekten ein Gestaltungsziel für Beleuchtung von Arbeitsstätten darstellt, d.h. eine Anforderung, der eine Beleuchtungsanlage genügen muss. Denn es könnte zutreffen, dass eine nach einem anderen Kriterium geplante Beleuchtung für das bewusste Sehen hinreicht.

Unter welchen Umständen stellt das bewusste Sehen gar das wichtigste Gestaltungsziel dar?

These
Wenn neue Aspekte als Quelle von Anforderungen an die Beleuchtung diskutiert werden, müssen die Gütemerkmale grundsätzlich infrage gestellt werden.

Eine Betrachtungsweise der Beleuchtung, die dem Qualitätsgedanken in dem hier besprochenen Sinne entspricht, ist das Konzept der Gebrauchstauglichkeit. Dieses Konzept als ein echtes Qualitätskonzept besagt, dass ein Betrachtungsgegenstand, in unserem Falle die Beleuchtung, zwar bestimmte Merkmale, aber keine Gebrauchstauglichkeit an sich aufweist. Es kann aber das Potenzial aufweisen, für eine bestimmte Nutzung gebrauchstauglich zu sein.

Die Gebrauchstauglichkeit umfasst die benutzungsrelevanten Eigenschaften einer Betrachtungseinheit. Weitergehende Eigenschaften wie z.B. Wartungsfreundlichkeit, Montagefreundlichkeit oder Recyclingfähigkeit werden nicht berücksichtigt. Sie gehören aber nach unserem Verständnis zur Produktqualität im Sinne inhärenter Eigenschaften.

Die Gebrauchstauglichkeit besteht aus drei Kriterien:

  • Effektivität
  • Effizienz und
  • Zufriedenstellung (von Bedürfnissen)


Die EFFEKTIVITÄT beschreibt den Erreichungsgrad von Benutzerzielen. Wenn Leuchten beispielsweise als Zweckbeleuchtung vorgesehen werden sollen, kann die Effektivität daran gemessen werden, wie gut Arbeitsobjekte beleuchtet werden. Bei einer Schaufensterbeleuchtung wird man die Effektivität sicherlich an anderen Maßstäben messen.

Die EFFIZIENZ beschreibt den Aufwand des Nutzers, der zum Erreichen einer bestimmten Effektivität eingesetzt werden muss. Das Maß lässt sich z.B. aus dem Zeitaufwand für die Erledigung einer bestimmten Aufgabe, aber auch aus dem Grad der Ermüdung des Nutzers einer bestimmten Beleuchtung bzw. der Augenbeschwerden, die eine bestimmte Sehaufgabe verursacht, ermitteln.

Die ZUFRIEDENSTELLUNG von Bedürfnissen beschreibt einerseits die Freiheit von Beeinträchtigungen (z.B. Blendfreiheit) und andererseits die Akzeptanz des Betrachtungsgegenstands, so z.B. die Zufriedenheit mit der Lesbarkeit von Sehobjekten bei Zweckbeleuchtung.

Eine Betrachtung der lichttechnischen Literatur und ihrer Hintergründe zeigt deutlich, dass sich das neu formulierte Konzept der Gebrauchstauglichkeit nicht grundsätzlich von den gesetzten Zielen unterscheidet. Der wesentliche Unterschied besteht in der klaren Trennung der anzustrebenden Ziele.

These
Das Konzept der Gebrauchstauglichkeit kann eine transparente Ableitung von Gestaltungszielen für die Beleuchtung aus diversen Aspekten (s. CIE-Katalog) ermöglichen.

„Ergonomische“ Anforderungen an die Beleuchtung lassen sich als Untermenge aller Anforderungen ableiten, weil sie die rein gestalterischen Aspekte nicht einschließen. Allerdings sollte man hierbei die raumgestalterischen Aspekte nicht in den Hintergrund schieben, sofern sie nicht der Arbeitsausführung im Wege stehen.

Als völlig neu in der Betrachtung der Beleuchtung von Arbeitsstätten kann man die getrennte Sicht auf

  • „sehrelevante“,
  • „gesundheitsbezogene“ und
  • „raumbezogene“

Aspekte bezeichnen.

4 Von Qualität zu Produkteigenschaften

Der oben dargestellten Betrachtung der Qualität muss eine Betrachtung der Produkt-„Qualität“ der Beleuchtung gegenüber gestellt werden. Diese ist für den Beleuchtungsplaner bzw. den Leuchtenhersteller relevant, weil aus ihr die geforderten Produktmerkmale hervorgehen.

In der Qualitätswissenschaft nennt sich die Umsetzung der nutzungsrelevanten Anforderungen in Produkteigenschaften „consumer data sheet“. Deren Erstellung obliegt aber nicht den Personen, die für die technischen Eigenschaften (sprich objektive Qualität) verantwortlich sind, sondern denen, die markgerechte Produkte konzipieren sollen.

These

Es ist erforderlich, auch in der Lichttechnik zwischen nutzungsrelevanten Anforderungen und Produkteigenschaften zu unterscheiden.

  • 5 Mehrdimensionale Betrachtung von BeleuchtungskonzeptenUnabhängig vom Ergebnis der Qualitätsdiskussion lässt sich vorhersagen, dass sich die „Qualität der Beleuchtung“ einer eindimensionalen Betrachtung entziehen wird. Es ist daher sinnvoll, relevante Betrachtungsdimensionen, die man durchaus weiterhin Gütemerkmale nennen kann, festzulegen und diese zu skalieren.
    Im Folgenden wird beispielshaft eine solche Betrachtung für die Beleuchtung eines Raumes mit Bildschirm- Arbeitsplätzen dargestellt.

    5.1 Das Bewertungssystem

    Als Bewertungssystem werden insgesamt neun Gütemerkmale herangezogen, die sich aus den relevanten normativen und gesetzlichen Regelwerken ableiten. Nach diesen Kriterien werden die Beleuchtungskonzepte mit Hilfe einer vierstufigen Skala eingestuft, bewertet und in einem Netzdiagramm dargestellt, das einen schnellen Überblick über die Gütemerkmale insgesamt ermöglicht:

    Leuchtdichteverteilung:
    Ausgewogenheit der Helligkeitsverteilung der Raumbegrenzungsflächen und Arbeitsmittel
    (Stufe 1: unausgewogen, Stufe 4: ausgewogen)

  • Lichtrichtung und Schattigkeit
    Lichteinfallsrichtung und Wiedergabe von körperlichen Formen
    (Stufe 1: ungünstig, Stufe 4: günstig)
  • Beleuchtungsniveau:
    Aufwand für die Erzielung einer ausreichenden Beleuchtungsstärke auf relevanten Arbeitsobjekten wie Papier
    (Stufe 1: Aufwand groß, Stufe 4: Aufwand gering)
  • Flexibilität
    Anpassungsvermögen an veränderte Anforderungen bzw. Arbeitsplatzaufstellungen mit geringem Aufwand
    (Stufe 1: gering, Stufe 4: hoch)
  • Kontrastverlust auf der Bildschirmanzeige
    Verringerung des maximal möglichen Kontrastes durch Fremdlichteinfall
    (Stufe 1: groß, Stufe 4: gering)
  • Spiegelungen
    gerichtete Reflexionen auf dem Bildschirm
    (Stufe 1: Spiegelungsgefahr hoch, Stufe 4: Spiegelungsgefahr gering)
  • Reflexblendung
    Blendung durch helle Reflexe auf Sehobjekten (z.B. Tastatur), ungünstige Kontrastwiedergabe auf Informationsträgern
    (Stufe 1: leicht möglich, Stufe 4: unwahrscheinlich)
  • Störempfindung
    störender Einfluss zu heller Flächen im Gesichtsfeld bei nicht vorbestimmbaren Blickrichtungen (Stufe 1: leicht möglich, Stufe 4: unwahrscheinlich)
  • Individualisierbarkeit
    Anpassbarkeit an persönliche Bedürfnisse bzw. wechselnde Anforderungen am eigenen Arbeitsplatz
    (Stufe 1: gering, nur raum- bzw. gruppenweise möglich, Stufe 4: hoch, auch arbeitsplatzbezogene Beeinflussung möglich)

    Bild 1 Das Bewertungssystem bestehend aus neun Kriterien, die in vier Stufen skaliert worden sind
    (die vorgenommene Festlegung der Kriterien ist nicht Gegenstand dieser Diskussion)
  • bewertungweb

    Bild 1 Das Bewertungssystem bestehend aus neun Kriterien, die in vier Stufen skaliert worden sind
    (die vorgenommene Festlegung der Kriterien ist nicht Gegenstand dieser Diskussion)

    5.2 Beispiel für eine vergleichende Bewertung

    Ein Ergebnis der angestellten Betrachtungen zeigt das untere Bild, das die Bewertung von zwei Beleuchtungssystemen zeigt. Hieraus kann man den besonderen Nutzen einer solchen Bewertung erkennen: Spielen für eine geplante Anlage die Kriterien „Beleuchtungsniveau“ (B) und „Vermeiden von Spiegelungen“ (S) die Hauptrolle, sind beide Konzepte gleichwertig. Ist hingegen „Flexibilität“ (F) gefragt, unterscheiden sie sich stark. Benötigt ein Anwender beispielsweise keine Flexibilität, kann die Entscheidung nach anderen Kriterien gefällt werden. Daher sind für diesen Anwender beide Beleuchtungssysteme gleichwertig nach einem Kriterium, das für andere Anwender die Ausschlag gebende Rolle spielen dürfte.


    © 2001 Dr.-Ing. Ahmet Çakir


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