Licht für Gesundheit

CyberLux

Lichtplanung – Diskrepanz zwischen Theorie und Praxis


Autor

Heinrich Kramer

Kurzfassung

Anforderungen und Empfehlungen in Regelwerken befassen sich mit Aspekten, die teilweise praxisfremd sind. Die Nutzerbedürfnisse nach Tageslicht bei Bildschirmarbeit finden wenig Berücksichtigung. Oft wird auf die Technik hin geplant und nicht auf den Nutzer. Der Mensch mit seinem Umfeld aber muss in den Mittelpunkt der Planung gestellt werden und nicht die Technik.

Beitrag

Bildschirmarbeitsplätze – Unterschied zwischen Theorie und Praxis

Wie die Evolution zeigt, hat die Menschheit sich von der Bewegung auf vier Beinen mühsam in den aufrechten Gang entwickelt. Dies bot ihr die Möglichkeit, von erhöhtem Standort besser ihre Umgebung zu beobachten, die frei gewordenen Hände für das Herstellen von Werkzeugen und Waffen zu benutzen und gleichzeitig Nahrung mit ihrer Hilfe besser nach Hause tragen zu können.

Nachdem die Menschen sich immer stärker mit Hilfe der Sprache zum Geistesarbeitern entwickelt hatten, ließen sie bald die körperliche Arbeit von Sklaven verrichten und später von Maschinen. Bei der Bildschirmarbeit reduziert sich ihre körperliche Tätigkeit im Wesentlichen auf das Betätigen der Tastatur. Wie man sieht, ist die restliche Körpermuskulatur für eine solche Tätigkeit nicht mehr notwendig. Auch der aufrechte Gang bietet keine bessere Übersicht mehr, da die wichtigen Informationen auf dem Bildschirm vor einem erscheinen.

Für die Bildschirmarbeit empfehlen wir den Menschen, die Räume abzudunkeln und mit den Bildschirmarbeitsplätzen in Raumtiefe zu wandern. Wir empfehlen ferner eine Beleuchtungsstärke zwischen 300 und 500 lx, wohl wissend, dass dies im Sinne der menschlichen Entwicklung biologische Dunkelheit darstellt.

Wir empfehlen dies, obwohl seit einiger Zeit bekannt ist, dass in Mitteleuropa im Winter nur 5 % und im Sommer nur 29 % der Menschen die biologisch notwendige Dosis an Tageslicht bekommen. Außerdem weiß man, dass etwa ein Drittel der Bevölkerung an SAD leidet, wenn man die schwere und leichte Form zusammenfasst.

Die vorgenannten Prozentsätze beziehen sich nur auf die richtige Dosis des Tageslichtes, während die psychologisch notwendige Dosis bzw. Kontakt zur Außenwelt dabei überhaupt nicht berücksichtigt wurde. Da Fenster ferne Arbeitsplätze nach den negativen Erfahrungen mit dem Großraumbüro immer mehr zurückgegangen sind, ist es besonders verwunderlich, wenn man Normen mit Empfehlungen für Fenster ferne Arbeitsplätze herausbringt.

Die immer stärker aufkommenden Call-Center wollen offensichtlich die negativen Erfahrungen mit den Großraumbüros nicht wahrhaben. Außerdem ist es nach der bestehenden Arbeitsstättenrichtlinie immer noch möglich, mangelndes Tageslicht durch Kunstlicht zu substituieren. Da die Substitutionsvorschrift 500 lx vorschreibt, werden die Menschen auf die 2000 – 3000 lx biologisch wirksame Dosis verzichten müssen und ebenso auf die psychologisch notwendige Dosis.

Beleuchtungsstärken beziehen sich nur auf den optisch wirksamen Teil der Strahlung. Die Hälfte der Strahlungsenergie im Sonnenlicht befindet sich jedoch im infraroten Spektrum und hat sicherlich eine wichtige Funktion in der Evolution der Menschen gehabt. Die heute immer stärker verwendeten Gläser mit low-I-Bedampfung schneiden diesen Teil vollständig ab und deshalb müssen die meisten Menschen in Zukunft auch noch auf diesen Anteil des Spektrums verzichten. Wir tun dies, um die anfallenden Wärmelasten für die Haustechnik zu reduzieren. Aus dem gleichen Grund haben wir bis heute die Fenstergrößen mehr nach den Vorgaben der Klimatechniker als den Wünschen der Menschen dimensioniert. In hoch transparenten Lichthöfen mit low-I-Gläsern haben sich schon erhebliche Probleme mit dem Wachstum der Pflanzen gezeigt. Hoffentlich ist der Mensch leidensfähiger.

Unsere Erfahrung in der Praxis zeigt, dass die Menschen sich immer gegen unsere Empfehlungen für reduzierte Tageslichtqualität gewehrt haben. Mir haben die meisten Kunden geantwortet, dass sie gerne mit ihrem Bildschirmarbeitsplatz unmittelbar in Fensternähe bei nicht abgedunkeltem Arbeitsplatz arbeiten möchten. Offensichtlich sind die natürlichen Instinkte der Menschen besser als die wissenschaftlichen Erkenntnisse der Fachleute.

Da der Mensch ein soziales Wesen ist, hat er den Wunsch, mit anderen Menschen kommunizieren zu können, genauso, wie er zu gewissen Zeiten Ungestörtheit (Privatheit) reklamiert. Beides wird durch Bildschirmarbeit zutiefst verletzt. Die Konzentration auf den Bildschirm hält die Menschen von der Kommunikation ab und bietet ihnen gleichzeitig keine Privatheit, wenn die Arbeitsplätze sich in Großraumbüros oder Call-Centern befinden. Hier liegt ein wesentlicher Teil der Probleme mit Bildschirmarbeitsplätzen.

Ein weiterer Problempunkt tritt auf, weil sehr viele Menschen sich mit der Bildschirmarbeit überfordert fühlen. Die Bedienung ist kompliziert und unverständlich. Allein der Gedanken an die Arbeit mit dem Computer lässt viele Menschen schwitzen (dies gilt besonders für diejenigen, die nicht mit dem Computer „aufgewachsen“ sind). Der damit verbundene „Adrenalin-Spiegel“ sowie die Anspannung können sich abends ohne Weiteres in Müdigkeit und Kopfschmerzen äußern. Für die trockenen und schmerzenden Augen gibt es auch eine einfache Erklärung, die absolut nichts mit schlechtem Licht zu tun hat. Die Information erscheint auf dem Bildschirm und deshalb ist eine konzentrierte Aufmerksamkeit in Form von Fixieren des Bildschirmes (Starren) notwendig. In Erwartung einer erscheinenden Information werden selbstverständlich der Lidschlag und damit die Befeuchtung der Hornhaut verringert. Dies führt zu roten und trockenen Augen. Die Evolution hat uns mit dieser Eigenschaft ausgestattet, weil es fatal wäre, wenn beim Fixieren einer Gefahr, das Augenlid den Blick versperren würde.

Statt das Licht für diese Probleme verantwortlich zu machen, sollte man die Menschen sehr viel mehr vertraut machen mit dem Arbeitsgerät Bildschirm und Computer.

Ein weiterer Punkt, der die Bildschirmarbeit so schwierig macht, ist die damit verbundene Monotonie. Auf der einen Seite führt das ruhige Sitzen zu Bewegungsarmut und zu unnatürlicher Haltung und Konzentration, aber viel wichtiger ist, dass durch das Betrachten des Bildschirmes die Komplexität des visuellen Ambientes so reduziert wird, dass das Wahrnehmungssystem sich deprivatisiert fühlt. Bildschirmarbeit ergibt unter geistigen und körperlichen Aspekten eine einseitige und reduzierte Wahrnehmung.

Interessanterweise beziehen sich die meisten Empfehlungen für Bildschirmarbeitsplätze auf das Kunstlicht, obwohl nachweislich die Mehrzahl der Menschen ihre Arbeitszeit am Bildschirm unter Tageslichtbedingungen verbringt. Die Empfehlungen für Kunstlicht, sind wie oben schon dargestellt, sehr umfangreich, während die für Tageslicht eher in die falsche Richtung führen.

Auch zum Kunstlicht gibt es Einiges zu sagen. Mit diesem beginnt im Verwaltungsbau meist die Monotonie und Unpersönlichkeit. Eine flächig verteilte Deckenbeleuchtung entspricht nicht den Erwartungshaltungen der Nutzer. Das Gleiche gilt für die Verteufelung der Tischleuchten. Ganz im Gegensatz zu der wenig neutralen Behandlung in den Normen hat diese Leuchte ein hohes Potenzial an atmosphärischer Wirkung und guter Akzeptanz. Beides sind wichtige Voraussetzungen für ein gutes Arbeitsklima.

Die wesentlichen Probleme liegen beim Arbeitsgerät Bildschirm sowie in der Anordnung der Arbeitsplätze unter ergonomischen wie unter tageslichttechnischen Gesichtspunkten. Die meisten Bildschirme machen in Positivdarstellung weniger Probleme als in Negativdarstellung. Selbstverständlich sind dazu eine höhere Auflösung und eine höhere Bildwiederholfrequenz notwendig, ebenso wie eine vergrößerte Strichstärke. Dies beherrschen moderne Bildschirme leicht. Heutige Entblendungsmaßnahmen verhindern auch in den meisten Aufstellungen die gefürchteten Reflexe auf dem Bildschirm. Bei CAD-Bildschirmen wird sehr oft reklamiert, dass hier ein dunkler Bildschirm für die Arbeit unbedingt notwendig wäre, weil sonst die Farben der feinen Linien nicht erkennbar seien. Auch hier ließe sich durch die Positivdarstellung und geeignete Wahl der Farben und Strichstärken das bessere Adaptationsniveau des hellen Bildschirmes nutzen. Als es noch keine Computer gab, haben Architekten und Technische Zeichner auch nicht auf schwarzem Papier gezeichnet.

Ich persönlich habe in meiner langjährigen Praxis fast nie Beschwerden über das Kunstlicht gehört, sondern größtenteils über die unzureichenden Arbeitsbedingungen unter den o.g. Aspekten.

Den Wissenschaftlern und Vertretern, die die Normen und Vorschriften erarbeiten, kann ich nur empfehlen, sich stärker mit den Menschen am Arbeitsplatz in Verbindung zu setzen. Meines Wissens gibt es keine seriöse Untersuchung, die die den Normen zugrunde gelegten Voraussetzungen wissenschaftlich sauber beweisen. Es gibt genau so viel Beschwerden über schlechte Bildschirme an Arbeitsplätzen mit „falschem“ und „richtigen“ Licht.

Diese Fehler kann man nur vermeiden, wenn man Bauherr und Architekt schon bei der Planung des Gebäudes beraten darf, und man bei diesen auch ein offenes Ohr für die komplexen Zusammenhänge findet. Als besonders vorteilhaft hat sich erwiesen, wenn man von Beginn des Planungsprozesses die Nutzer in die Planung einbezieht und ihre Einwände Ernst nimmt.

Beitrag als pdf Kramer


© 2001 Prof. Dr.-Ing. Heinrich Kramer

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