Licht und Marketing
Licht und Marketing
2014
Dieser Tage gibt es viel Aufregung um den zertifizierten Lichtexperten (hatte am 06.08. berichtet über dessen Taufe. Brauchen wir noch mehr Zertifikate bzw. noch mehr „Experten“ mit Zertifikat? Das fragen sich viele. Weiß ich nicht! Mein Gedanke gilt dem Zweck dieser Aktion. Wer und was steckt dahinter?
In der Lichttechnik gehört das Marketing zu den üblichsten Verdächtigen als Initiator, wenn solche Aktionen beobachtet werden. Doch Marketing ist nicht Marketing, und bereits der Urahne aller Lichttechniker, ich meine der Techniker des elektrifizierten Lichts, Thomas A. Edison, hatte vor der Erfindung der Glühlampe, an das Marketing gedacht. Wie üblich, schrieb er in sein Notizbuch, dass die (zu erfindende Lampe) nicht blenden dürfe. Und nach der Erfindung erst recht. Nachdem ihm sein Patent abhanden gekommen war, hatte er die famose Idee, nur solche Hotels und Restaurants mit seinem Strom zu beliefern, die seine Lampen in die Fassungen einschraubten. Kartellbehörden würden angesichts solcher Praktiken fassungslos dastehen. Allerdings müssten die Herren nur tagsüber arbeiten, wenn ihre Behörde im Monopolgebiet von Edison Illuminating Company stünde, die ihnen den Strom abdrehen würde.
Doch damit nicht genug! Edison wehrte sich gegen eine blendende Idee, Wechselstrom anstelle von Gleichstrom zu benutzen, mit einem ebenso genialen Marketingcoup: Er erfand den elektrischen Stuhl, und zwar betrieben mit Wechselstrom, auf dass das Volk lerne, wie gefährlich dieses Teufelszeug ist.
Damit kämen wir der Natur des Marketing nicht ganz nahe, denn solche Aktionen werden heute eher unter Wirtschaftskrieg denn unter Marketing abgeheftet. Oder unter „destruktive Verkaufsstrategien“. Marketing ist - im einfachsten Falle - Produkte und Dienstleistungen zum Verkauf anbieten in einer Weise, dass Käufer dieses Angebot als wünschenswert wahrnehmen. Man kann es taktisch betreiben, z.B. indem man die Preise so lange herabsetzt, bis der Konkurrenz die Luft ausgeht. Manchmal geht einem selbst die Luft aus - das erlebt man aber nicht mehr, weil pleite. Kluge Leute betreiben strategisches Marketing. Damit stellt man den Absatz der eigenen Produkte auf viele Beine. Übliche Methoden setzen bereits bei der Überlegung über ein neues Produkt an, der Verkauf läuft später wie geschmiert, manchmal weil geschmiert.
Böse Leute erzählen die Mär, Marketing sei, wenn der Kunde Enten will - und man hat nur Hühner im Angebot, den Hühnern die Füße breit zu klopfen. Solche Leute können aber nicht einmal sagen, ob dies taktisches oder strategisches Marketing ist. Es gab große Industriekapitäne, die auf das zweite tippten, so z.B. in der amerikanischen Autoindustrie. Eines Tages sah ich den Chef von General Motors im Fernsehen weinen. Er sagte „Wir haben fünf Jahrzehnte versucht, den Menschen zu erklären, was ein Auto ist. Sie ließen sich aber nicht überzeugen.“ Die späte Reue half nicht, General Motors war am 1. Juni 2009 pleite. Der drittgrößte der amerikanischen Autoindustrie ist heute Dependance einer Firma, deren Produkte früher allenfalls als Zubringer zu dem Auto eines Amerikaners eingesetzt worden wären. Es wäre ein Wunder, wenn ein Fiat 500 (Topolino) den Motor eines Plymouth Belvedere (fast 6 Liter Hubraum in 8 Zylindern) hätte überhaupt transportieren können. Doch die Zeiten, die sind anders. Fiat hat das Sagen.
Und die Hochburg des amerikanischen Autobaus, Detroit, ist heute eine Ruinenstadt. Pleite! Der Käufer von Chrysler wohnt zwar selbst in einer (halben) Ruinenstadt, Turin, das ist aber eine andere Geschichte.
Was Edison als Marketingstrategie bereits der Erfindung der Glühlampe in die Wiege gelegt hatte, Blendfreiheit des Lichts, könnte wieder Auferstehung feiern. Denn das Produkt der Zukunft, die LED, blendet bereits in einer Miniausführung (Fahrradlampe) und das am Tage (siehe lightmare). Ob das als Motiv für den „zertifizierten Lichtexperten“ angenommen werden kann?
Ich denke eher nein. Denn Lichttechniker haben keine Ahnung von Blendung, andere allerdings auch nicht. So las ich in einem jüngst erschienenen Buch „Human factors in lighting“: „Was psychologische Blendung ist, weiß man nicht so genau. Man sagt, sie sei vorhanden, wenn sich Leute bei Vorhandensein von hellen Lichtquellen, Leuchten oder Fenstern visuell gestört fühlen.“ (übersetzt von mir, das Original lautet so: Discomfort glare is not well understood. It is said to be occurring when people complain about visual discomfort in the presence of bright light sources, luminaires or windows.). Nach 100 und mehr Jahren Forschung hört sich das Wiegenlied der elektrischen Beleuchtung etwa so an „Ich weiß nicht was soll es bedeuten …“ ?
Ich muss die Aussage bezüglich Lichttechniker relativieren. Es gibt nämlich Lichttechniker, die verdammt viel Ahnung von Blendung haben. Die sind in den Reihen der Gestalter von Wohnraumbeleuchtung zu finden. Igitt - die bauen doch Lichttöter! Stimmt, um Blendung zu vermeiden, muss man jede Menge Licht vernichten. Der neue zertifizierte Lichtexperte könnte z.B. das Töten von Licht mit dem Effizienzgedanken versöhnen helfen. Ob das als Motiv taugt?
Der gute Mann könnte auch lernen, wie man Lichtquellen, denen man Zerstörerisches nachsagt, LED, (siehe hier), mit der ewigen Marketingstrategie der Lichttechnik, dem Arbeitsschutz, vereinbaren kann. Seit etwa 1935 lebt die Lichtindustrie von der Mär, gutes Licht würde dem Arbeitsschutz dienen. Der Staat und seine diversen Helfer helfen kräftig mit beim Leuchtenabsatz. Obwohl es niemandem gelingen will, eine Beziehung zwischen Beleuchtung und Arbeitsschutz herzustellen, gibt es Leute im Arbeitsschutz, die fest daran glauben. Viellecht haben die eine andere Beziehung zu Licht oder dessen Machern? Jedenfalls läuft die Sache seit Jahrzehnten wie geschmiert. Wozu dann ein zertifizierter Lichttechniker? Hat sich denn niemand überlegt, dass Wissen bei der Entscheidungsfindung empfindlich stören kann?
Nun, ja. So wie ich die Sache kenne, wird es nicht bei diesem einen zertifizierten Lichtexperten bleiben. Einst wollte ja die verblichene PLDA den Beruf des „lighting designer“ definieren. Das schnelle Ende ihrer so hoffnungsvoll begonnenen Karriere ist nicht diesem Bemühen anzulasten. Die lichttechnischen Gesellschaften der Deutsch schreibenden Länder (AT, CH, DE, NL) wollen auch ihren Lichtexperten definieren, ohne die Extinktion zu befürchten. Vielleicht schreibt die CIE den globalen Lichtexperten auf ihre Fahnen. Fehlt nur noch der intergalaktische. War der nicht der, der „fiat lux“ ausgerufen hatte?
Marketing und DIN-geprüfter Lichttechniker
20.08.14
Nichts ist vergänglicher als Technik. Diese Aussage macht auch vor der Lichttechnik nicht Halt.
Dana Bodeschu
ist kein Philosoph
Fisch ist noch vergänglicher!
d. Blogg