Licht und Gewohnheit
Licht und Gewohnheit
2013
Ich weiß nicht mehr, wo der Witz herstammt. Ich finde ihn aber trefflich (zutreffend?):
Frage: Wie viele Lichttechniker braucht man, um eine Glühlampe zu wechseln?
Antwort: Einen. Der hält die Lampe fest und wartet, bis das Universum um ihn herum dreimal dreht.
Vorher müsste sich das Universum allerdings gegen den Uhrzeigersinn gedreht haben, um die Lampe auszuschrauben. Ein Glück, dass wir jetzt Energiesparlampen haben… Ach, nee, die haben doch auch einen Gewindesockel. Und LED? Die meistens auch. Welche Technik man auch zum Lichtmachen einsetzen will, das Universum muss sich um diese drehen.
Kein Wunder, dass die Lichttechnik als beratungsresistent gilt. So nennt der Berater seine Klientel, an der neues Wissen abprallt, egal wie gut es ist und wie schlecht das Wissen des Klienten. Eigentlich nicht verwunderlich, hat die Lichttechnik doch in etwa 100 Jahren das menschliche Leben auf dem Planeten total umgekrempelt. Und nicht nur das menschliche! Bei meinen Tauchgängen habe ich öfter die Bekanntschaft von Barrakudas gemacht, die nachts den Tauchern folgen, weil man - fisch - im Lichtkegel der Lampen gut jagen kann. Weniger erfreulich indes fällt die Bilanz für die Insekten aus. Die tappen milliardenfach in die Lichtfalle. Nicht nur die Motten. Trotzdem: Das künstliche Licht hat uns nicht nur Räume erschlossen, in denen man sonst nicht hätte wohnen oder arbeiten können, sondern auch Zeiträume erobern helfen. Keine 24-Stunden Gesellschaft ohne künstliches Licht. Mit ihm könnte höchstens der Mobilfunk konkurrieren, wenn es um Ingangsetzen gesellschaftlicher Umwälzungen geht. Aber auch der funktioniert nur mit künstlichem Licht - oder ganz schlecht.
Darf man denn bei allem Stolz gegen die Gesetze einer Gesellschaft handeln, in der man aktiv ist? Ich schätze mal, dass den meisten nicht einmal bewusst ist, dass sie das tun. Sie tun es trotzdem, und trotz Ermahnungen. Die Rede ist vom Umgang mit dem Arbeitsschutzgesetz und seiner BildscharbV, sprich Bildschirmarbeitsverordnung. Das letztere sollte Folgendes vorschreiben:
„b) Beleuchtung
Die allgemeine Beleuchtung und/oder die spezielle Beleuchtung (Arbeitslampen) sind so zu dimensionieren und anzuordnen, daß zufriedenstellende Lichtverhältnisse und ein ausreichender Kontrast zwischen Bildschirm und Umgebung im Hinblick auf die Art der Tätigkeit und die sehkraftbedingten Bedürfnisse des Benutzers gewährleistet sind.“
So steht es in der für die Bundesrepublik Deutschland gültigen Version der Richtlinie 90/270/EWG in der deutschen Fassung. Die Richtlinie geht ergonomisch richtig auf die Bedürfnisse des Benutzers ein. Was wurde daraus, als die Richtlinie zur BildscharbV wurde? So steht es dort unter Nr. 15:
„Die Beleuchtung muß der Art der Sehaufgabe entsprechen und an das Sehvermögen der Benutzer angepaßt sein; dabei ist ein angemessener Kontrast zwischen Bildschirm und Arbeitsumgebung zu gewährleisten.“ Aus dem Benutzer wurden „die Benutzer“, die „zufriedenstellenden“ Lichtverhältnisse wurden unter den Tisch gekehrt und trafen dort die „spezielle Beleuchtung“ = Arbeitslampen. Diese hat nämlich ein deutscher Arbeitnehmer nicht nötig. So jedenfalls nach der Meinung der lichttechnischen Industrie. Irgendwie muss diese Meinung bei der Übertragung des Textes der Richtlinie von Deutsch (EU-Version) auf Deutsch (deutsche Verordnung) eingeflossen sein. Fragt sich wie. Und warum? So missverständlich war der Text doch nicht - oder?
Die Sache mit den „Arbeitslampen“ war spätestens 1990 mit der Studie „Licht und Gesundheit“ endgültig einwandfrei belegt worden, so es jemals einer Untersuchung bedurft hätte. Sie fördern die Gesundheit. Und zwar gewaltig, während die Beleuchtung, auf die die Industrie gesetzt hatte, eher das Gegenteil bewirkte. Auch das haben wir mit einer Studie belegt. Und diese wurde von allen gelesen und „diskutiert“, was z.B. bei uns eher als Drohung ankam. Andernorts behauptete man, wir wären wohl durchgeknallt, um so etwas zu behaupten. Nichts dergleichen - die Veröffentlichung war vorab von einem Professor für Europarecht Buchstabe für Buchstabe geprüft worden, ehe sie gedruckt wurde. Übrigens: Wer hat eigentlich Technikern das Recht gegeben, Leuten bei der Arbeit etwas vorzuenthalten, das sie haben wollen? (mehr hier)
Was ist aber der Unterschied zwischen der und die Benutzer? Ganz einfach: Wenn man die Bedürfnisse des Benutzers befriedigen will, ist das Konzept der Beleuchtung (Allgemeinbeleuchtung) seit 1972 falsch. Da wurde sie nämlich als (praktisch) alleinige Art der Beleuchtung genormt. Dass sie falsch ist, wurde in der Studie „Licht und Gesundheit“ nach langjährigen Feldstudien und Laboruntersuchungen nachgewiesen. (Richtig ist Allgemeinbeleuchtung nur unter Umständen, aber nicht als Vorzugskonzept).
Man muss eine flexible Beleuchtung realisieren, um Bedürfnisse des Benutzers zu befriedigen. Wie so etwas geht? Das hatte der schwedische Architekt Anders Liljefors bereits 1972 veröffentlicht. Später habe ich auch mehrfach gezeigt, wie es geht. Nicht etwa auf dem Papier, sondern in leibhaftigen Beleuchtungsanlagen.
Warum man auf den Benutzer eingehen muss? Das steht in der Ergonomie seit Jahrzehnten als Prinzip fest. Wo es in der Ausführung gehakt hat, hat sich meistens auch erledigt. Man muss aber keine wissenschaftliche Literatur lesen, um die Sache zu begreifen. Man muss sich nur die Fahrräder angucken, wie sie etwa seit dem Jahr 1900 gebaut werden. Wie viele Einheitsfahrräder wären wohl verkauft worden, und welcher Anteil davon je benutzt?
Wie soll man Leute nennen, die wichtige Dinge nicht lesen, und wenn sie gelesen haben, nicht verstehen? Und das über Jahrzehnte! Bei zufriedenen Menschen, die sich und ihre Umgebung im Griff haben, spricht man von Resilienz. Bei anderen, die einfach nicht verstehen wollen, eben von Resistenz. Wie soll man Leute bezeichnen, die schriftlich niedergelegtes Recht - sagen wir mal höflich - beeinflussen wollen, in „passendere Worte“ kleiden, damit sie ihr Geschäft weiter betreiben anstelle ihr zu einer neuen Blüte zu verhelfen? (Muss ich den Begriff wirklich schreiben?)
So ham´ wi imma gemacht
08.05.13
Man kann einen Teil des Volkes die ganze Zeit täuschen und das ganze Volk einen Teil der Zeit. Aber man kann nicht das gesamte Volk die ganze Zeit täuschen.
A. Lincoln
You can fool some of the people all of the time, and all of the people some of the time, but you can not fool all of the people all of the time.