Licht und Gesundheit
Licht und Gesundheit
2012
Ich glaube, diesen Beitrag kann ich wieder veröffentlichen:
(Beitrag unter http://www.ergonomic.de/files/___sick_building-2002.pdf)
… mit geringfügigen Änderungen freilich. Oder mit massiven, je nachdem wie man es sehen will.
Es geht um kranke Häuser bzw. Häuser, die krank machen. Davon hatte ich eines gesehen, als ich noch Student war. Als solcher ist man mit seinen Kommentaren nicht allzu zimperlich. Mein Kommentar zu dem Objekt lautete „Meschugge“. Das so bezeichnete Objekt: Ein Krankenhaus in Berlin mit einer Deckenheizung. Wenn der Arzt bei der Visite neben dem Krankenbett steht, trifft ihn die Wärme der Decke genau dort, wo er sie nicht gebrauchen kann: Beim Gehirn. Dort findet der größte Wärmeumsatz statt, wenn man Sehen und Denken muss. Und das muss der Arzt bei der Visite.
Gleichzeitig bekommt man in solchen Räumen kalte Füße, denn die warme Luft geht nicht freiwillig von oben nach unten. Die Thermik einfach auf den Kopf gestellt! Hält man so etwas im Kopp aus? Kein Wunder, seit den 1970er Jahren baut keiner mehr Deckenheizungen. Ob alle Architekten von Deutschland auf einer Exkursion zu dem Krankenhaus waren?
Wer sich vor solchen genialen Erfindungen sicher fühlt, sollte sich besser warm anziehen. Denn ich habe gestern in einer Sitzung festgestellt, dass der Wahnsinn Methode hat. Leider, leider bleibt er nicht beim Klima stehen, und berührt alle drei L´s, die die Behaglichkeit eines Raums bestimmen, Licht, Luft, Lärm.
Die besagte Methode heißt „Thermische Bauteilaktivierung“ (bzw. Betonkernaktivierung) und ist alles andere als meschugge. Nur in Verbindung mit anderen Umständen kann sie dazu führen. Und das geht so: Baut man kleine Räume, kann man z.B. die Wände beheizen. Wenn man dies vernünftig tut, kann sogar Heizenergie gespart werden, weil die Strahlung sogar eine Absenkung der Lufttemperatur bei gleicher Behaglichkeit erlaubt! Was tun, wenn es aber keine Wände gibt? Z.B. in einem Großraumbüro? Decke heizen… Da sind wir wieder beim alten Krankenhaus meiner Studententage.
Oder viel früher: Die Nationalgalerie in Berlin, erbaut von Mies van der Rohe, hat auch so einen beheizbaren Betonkern. Wenn man die Heizung anmacht, dauert es so um zwei Tage, bis die Endtemperatur erreicht ist. Was tun, wenn sich das Wetter ändert, und Kühlen angesagt ist? Noch einmal zwei Tage warten. Da das Wetter in Berlin nicht allzu launisch ist, geht es noch. Aber Mies hat dasselbe auch in Chicago gebaut. Dort kann zwischen - 20 ºC und + 20 º C nur ganz kurze Zeit liegen. Prädikat mesch… wie oben für das Krankenhaus, wäre so falsch nicht, wenn man dem großen Meister am Zeuge flicken wollte.
Das liegt mir fern. Mir geht es um das Beziehungsgeflecht beim Bauen. Als dieses Bild entstand (Quelle FGL, heute licht.de) musste sich der Lichttechniker mit dem Klimatechn. und dem Akustiker um den Platz an der Decke kloppen. Wobei er häufig den Kürzeren zog. Jetzt muss auch der Akustiker in die Schlacht, denn „Thermische Bauteilaktivierung“ geht mit Massivdecken, und die sich schallhart. Wenn die auch noch aus Beton sind, hat der Lichttechniker noch ein weiteres Problem dazu.
Das wird nicht sein letztes Problem sein. Denn bei neuen Häusern mit „Thermische Bauteilaktivierung“ muss man nach EnEV Energie sparen, wozu man die Fassaden schön mit Glas panzert (s. Eintrag von vorgestern).
Wenn der Mensch, der in einem solchen Raum arbeiten soll, seinen ersten Schritt da hinein macht, wird ihm manches ähnlich angenehm in die Nase steigen wie in klimatisierten Räumen in den 1970er Jahren, damals allerdings nur montags. Früher dachte man nämlich, die Klimaanlage wäre vor allem zur Zufuhr von Sauerstoff da - und schaltete am Wochenende die Klimatisierung ab. Damit erhöhte sich die Konzentration von Schadstoffen in der Luft, weil die Fassaden den Luftzug verhinderten.
Und heute? Die Fassaden sind noch dichter. Sick Building Syndrome 2.0, Update kostenlos zum Herunterladen. Mehr zu „Thermische Bauteilaktivierung“ hier und, leider Gottes, in den nächsten Jahren häufig in diesem Blog. Vermutlich …
Man tut gut daran, sich die Größe olf zu merken. Genau ein olf ist die typische Geruchsemission einer ruhenden Person, z.B.: Beamter. Ist er genervt und greift nach der Kippe, emittiert er 25 olf. Nimmt er am Sportförderprogramm einer Behörde teil, z.B.: Claudia Pechstein, ist er/sie nach dem Wettkampf mit 30 olf dabei. Die Arbeitsumgebung mieft bei weiten nicht so stark, allerdings nur pro m2. So verbreitete einst ein Fußboden in Linoleum (typisch für Beamtenbiotope) 0,2 olf/m2, während Angestellte von Privatunternehmen im Büro etwas mehr ertragen mussten, weil ihr Kunstfaserteppich das Doppelte emittierte. Am besten haben es die hohen Herrschaften, z.B. Familie Kohlen & Reibach, in ihrem Domizil in der Toscana. Carraramarmor duftet geradezu mit 0,01 olf/m2 - also nichts gegen das After Shave des Hausherrn.
Warum ich die Zahlen so nenne? Hat was mit der Vergangenheit zu tun. Unser Professor für Klimatechnik hatte uns gelehrt, man wüsste über die Bedürfnisse des Menschen bescheid. Man müsse das Wissen nur umsetzen. Als ich später Feldstudien veröffentlichte, die von der Unzufriedenheit der Menschen mit dem Büroklima zeugten, meinte der Fachverband, ich müsste Büros untersucht haben, die von Billigheimern gebaut worden wären. Auf meine Einladung, mir ein Objekt zu zeigen, das kein Billigheimer gebaut hatte, gab es keine Antwort. Nur den Menschen, denen man Querulantentum bescheinigte, gab man Antworten, nämlich dass sie spinnen. Jahre, Jahre danach, hat der Guru der Klimatechnik, Ole Fanger, den Olf eingeführt. (mehr darüber handbuchgerueche.pdf). Übrigens, in der Klimatechnik gibt es etwas, um etwas zu messen, was man früher auch als Hirngespinst abgetan hatte, Trocknung der Augen durch das Raumklima. Dieses Phänomen hatte ich auch in den 1970er Jahren entdeckt und statistisch belegt. Jetzt gibt es einen Kunstkopf, um die zu messen, und einen - wie sonst - englischen Namen: "Office Eye Syndrome". (wissenschaftlicher Nachweis in Çakir, Hart, Stewart „The VDT Manual“, 1979). Die Berufsgenossenschaften werden aber nichts mehr darauf geben, weil man von trockener Luft angeblich nicht krank wird.
Auch Menschen, die mit der Beleuchtung unzufrieden waren, bescheinigte man Querulantentum, bis wir das Thema „Licht und Gesundheit“ auf´s Tapet brachten und durchsetzten. Jetzt ist die nächste Runde eingeläutet. Schauen wir mal! Während man frisches Licht von abgestandenem nicht unterscheiden kann, endet „abgestandene“ Luft auch mal fatal. Zwar nicht häufig, aber für das Opfer endgültig.
P.S. Zum Abschluss ein paar Worte vom Nach- Nachfolger unseres Professors: „Bis heute ist es noch nicht gelungen, die Anforderungen, die der Mensch an eine behagliche Umgebung stellt, genau genug zu beschreiben, geschweige denn zu erfüllen.“ Aus: „Einfluss der Raumströmung auf die lokale Feuchtigkeitsabgabe am Auge“
Sick Buildings - Kranke Häuser 2
27.03.12
In Wirklichkeit sieht alles anders aus, als es wirklich ist.
Stanislav Jerzy Lec