Licht und Energieeffizienz
Licht und Energieeffizienz
2012
In der Urzeit waren menschliche Behausungen ohne Fenster. Nur ein Eingang bildete die Verbindung zwischen Höhle und Außenwelt. Später als die Höhlen von Menschenhand gestaltet wurden, ließ man gerade so viel offen, wie der Auszug des Rauchs sowie der Ein- und Auszug der Menschen es erforderte. Die Anasazi in Arizona haben sich in die Höhlen eingemauert. Ihre Nachfolger, die Navajos, bauen Hogans, die auch ziemlich „zu“ sind. Kein Wunder, Energie war knapp, und in 2000 m Höhe gibt es bitterkalte Winter. Nicht so die Flachlandtiroler.
Nachdem das Glas erfunden wurde und für die Spiegel und Fenster schön geplättet, bauten sie ihre Wohn- und Arbeitsstätten luftig offen. So wollte z.B. Mies van der Rohe 1922 dieses Glashaus in Berlin bauen. Ein Glück, dass er es niemals bauen durfte. Denn das Konzept funktioniert von der Energieseite her etwa wie die Zylinder eines luftgekühlten Motors. Da das Gebäude offenbar keine Speichermassen besitzen sollte, Leichtbauweise, könnte es nur mit Hilfe von aktiver Klimatisierung funktionieren. Und was das bedeutet, sieht man an den Gebäuden der 1970er Jahre. Das Gewerk „Heizung Klima“ war der große Gewinner des Tages. Ca. 30% beim Ausbau, und nicht weniger als 25 % beim Betrieb des Gebäudes, damit war man dabei. Zwei solche Häuser stehen in Bonn. In denen waren einst die Ministerien BMFT und BMJ untergebracht. Als der Chef des zweiten Ministeriums, H.J. Vogel, besser bekannt als der OB von München während des Aufbaus der Olympiasportstätten, die Energierechnung seines Hauses sah, soll ihm die Hutschnur geplatzt sein. Dabei kannte er von den Olympiabauern bereits, wie man mit Energie aasen konnte. Wir hatten zu der Zeit den Auftrag, das Befinden der Menschen in diesen Bauten zu erforschen. Was das Ergebnis erbracht haben kann, kann man an einem anderen Ereignis sehen: Als den Ministerien der Raum knapp wurde, baute man barackenartige Pavillions, in die man einen Teil der Mitarbeiter überreden wollte, umzuziehen. Nicht nötig. Alle wollten dorthin ziehen. Glashäuser nicht nur teuer, sondern auch nicht akzeptabel …
Was lernte man daraus? Erst einmal nichts. Man baute sie, die Glashäuser weiter, als hätte die Energiekrise von 1973 auf einem anderen Planeten stattgefunden. Und das Glashaus von Mies stand beim Wiederaufbau des Stadtkerns von Berlin wieder zur Debatte.
Die heißgeliebte EU hat mit ihrer Energiepolitik, hier Energieeffizienz für Gebäude, die Wende eingeläutet. Mit der gleichen Vehemenz, mit der man in das Glashausbau eingestiegen war, steigt man wieder aus. Pardon, eigentlich um. Jetzt werden sogar Mauern mit Glas gegen Wärmeverlust isoliert. Die Gebäude bekommen eine „Klimahülle“ - aus Glas naturgemäß. Und was verspricht man sich davon? Viel! Sehen wir uns die Beleuchtung an: „Hochwertige Tagesbelichtung am Arbeitsplatz mit witterungsunabhängiger, individueller Regelbarkeit von Außenbezug, Sonnen- bzw. Blendschutz.“ (Auszug aus einem Konzept der Architekten Lichtblau und Sick zur Sanierung eines Gebäudes aus 1972). Warum die Sanierung erfolgen muss, wird so erklärt: „ Die Fakten 25 Jahre später:
- Der Heizenergiebedarf liegt mit ca. 220 kWh/m²a etwa dreifach über den zulässigen Werten nach WSVO 1995.
-Wasserdurchlässige und zugige Rahmensysteme führen zu gesundheitsschädlichem Raumklima und energietreibender Überhöhung der Raumlufttemperatur.“
Also raus aus den Kartoffeln, Sanieren und dazu eine „hochwertige Tagesbelichtung“ erzielen. Ganz im Trend der Zeit. Ich hatte mich auch gefreut, als man in Deutschland endlich das Tageslicht als Beleuchtung anerkannt hatte. So nach 8.000 Jahre Bauwesen hatte man in Deutschland, Bundesrepublik D., das Tageslicht in seine Schranken gewiesen und die künstliche Beleuchtung als alleinige gesetzlich anerkannt. Das war - nicht zufällig - 1975! Seit 2004 - raus aus den Kartoffeln - ist das anders. Die Architektur ist also ganz im Trend.
Wer beurteilen möchte, warum die Architekten die Verglasung nun hochwertig nennen, tut gut daran, die Dicke des vorgehängten Glases zu messen und sich anzuschauen, was das Glas aus dem Tageslicht macht.
Während ein einlagiges dünnes Glas wirklich nur den Wind abgehalten hat, beim Licht aber nur etwas dämpfend gewirkt, werden heute Fassaden mit Glaspanzern formidabler Dicke versehen. Beim oben abgebildeten Fall sind es zwei Scheiben mit etwa 30 mm Gesamtdicke und 4 Grenzschichten, von denen jede mindestens 4 % Licht schluckt. Beim Glas selbst kommt es auch noch auf die Färbung an.
Beim sanierten Gebäude kommt also höchstens 40% des Lichts an den Fenstern an, die jetzt nur noch doppelscheibig ausgeführt werden, und noch einmal etwa 30 % von dem Rest schlucken. Und das nicht gleichmäßig. Grün kommt bevorzugt durch, während Rot und Blau noch einmal halbiert werden. Wer so viel Grünstich hochwertig nennt, hat wohl denselben ohne Grün.
Das zum Thema hochwertige Tagesbelichtung! Ich weiß nicht, wie das von Lichtblau und Sick sanierte Gebäude aussieht. Hingegen weiß ich von anderen Gebäuden, dass in ihnen eine grünstichige Aquariumatmosphäre herrscht, während das Grün der Büropflanzen wegen des Infrarotmangels angeleuchtet werden muss, damit es überlebt. Ein Glück für die Bürobotanik. Für die gibt es nämlich eine VDI-Richtlinie. Für Menschen etwa nicht? Ganz bestimmt nicht.
Warum nicht gleich dicke Mauern bauen und Gucklöcher hier und da bohren? Da kommt wenigstens ungefiltertes Licht durch.
Wie sähen wohl unsere Fakten in 2037, also 25 Jahre von heute, aus? Verrottete Fassaden voll Wasser in deren Wärmeisolierung sich die Vögel mit Nestern breit gemacht haben? Auch wenn dies sehr umweltfreundlich ausfällt und auch exotischen Vögeln eine Chance lässt - Sittiche und Aras als Asylanten in Nordeuropa? -, in der Haut der Vögel, die nicht rechnen können, möchte ich nicht stecken, wenn die alten Herrschaften mit ihren Krücken auf die einschlagen, denen sie ihre Glasknochen zu verdanken haben. Hinter deren Glasfassaden gibt es keine Strahlung, die Vitamin D aufbauen hilft. Wer sich dahinter warm und gemütlich verborgen fühlt, darf sich die Krücken jetzt schon bestellen. Es sei denn, er/sie fährt im Winter nach Malle oder so - und sitzt dort nicht auch hinter Glas. Schuld sind nämlich nicht immer die anderen.
Fassaden - gepanzert
25.03.12
Wenn sich die Innenwelt verändert, ändert sich die Betrachtung der Außenwelt ....schlagartig
Katja
(hat leider nicht mehr über sich verraten)
Trotz Fenster!
d. Blog.