Licht und Energieeffizienz
Licht und Energieeffizienz
2010
eine BG, sprich Berufsgenossenschaft …?
Zugegebenermaßen eine seltsame Frage. Eine BG dient dem Arbeitsschutz, und das seit mehr als 120 Jahren. Wieso soll sie dabei eine verbotene Substanz erzeugen?
Auf die Idee hat mich eine Presseerklärung aus dem Umweltministerium gebracht (in diesem Blog schon kommentiert, Quecksilber hin, Quecksilber her), die besagt, man müsse die Glühlampen durch Energiesparlampen ersetzen, um die Kontamination des Bodens der Bundesrepublik Deutschland zu reduzieren. Denn bei geringerem Energieverbrauch benötige man weniger Kohlekraftwerke, die nicht nur Strom in die Leitung leiten, sondern auch noch Quecksilber in die Luft.
Gestern fand eine Sitzung statt, bei der die BGen wie ein Mann ihr Recht auf ihre Version des Arbeitsschutzes mit Hilfe von Licht gegen die bösen Mächte verteidigten, die eine europäische Norm durchdrücken wollten. Recht so!
Und die Sache mit dem Quecksilber? Gemäß der Vorstellungen der BG benötigt man zum Arbeitsschutz eine bessere Lichtqualität, und für eine bessere Lichtqualität mehr Strom. Ziemlich einfach und klar verständlich. Man muss die Anschlussleistung lediglich um 50% pro Kopf erhöhen und schon ist der Mensch gut geschützt. Damit der Arbeitgeber sich keine Sorgen um seine Finanzen machen muss, wird ihm der Gewinn gleich in Arbeitskosten vorgerechnet: „Eine Beleuchtungsanlage, die 4,65 W/m2 mehr Energie verbraucht (entspricht 46,5%) als die zu vergleichende Beleuchtungsanlage, verursacht pro Jahr Mehrkosten, die den Personalkosten von ca. 18 Minuten gleichkommen.“ (Originaltext aus der Veröffentlichung einer Abhandlung über bessere Lichtqualität, aus Copyright-Gründen leider nur auf Anfrage erhältlich). Zu einem perfekten Marketing-Statement fehlt nur noch der Hinweis, dass der Mitarbeiter derart motiviert wird durch die teuere Beleuchtung, dass sich seine Leistung um 10% steigert oder gar mehr. Ehrlich!
Die Herrschaften, die so penibel in Heller und Pfennig rechnen, bleiben bei anderen Zahlen weit hinter den eigenen Rechenkünsten zurück: In deutschen Büros (die obige Betrachtung gilt für Büros) wurde im Jahr 2000 bis zu 40% des Gesamtverbrauchs an elektrischer Energie für Beleuchtung aufgewendet. Pro Kopf 46,5% mehr (oder 86,38 kWh pro Jahr) macht bei 17 Millionen Büromenschen? 1.468.460.000.000 Wh! Das wären 1.468 GWh an der Steckdose und das Dreifache beim Kraftwerk! Wie viel Quecksilber und CO2 wird dafür in die Luft gepustet?
Wollten wir eigentlich Energie sparen oder eher verpulvern? Z.B. hat man gerade im Jahr 2003, also vor Verfassen des o.g. Artikels, eine Beleuchtungsnorm (DIN EN 12464-1) erlassen, die das Beleuchtungsniveau in Räumen mit Fensterarbeitsplätzen von 300 lx (Nennwert oder 240 lx Minimalwert) auf 500 Lux Minimum anhob. Da diese Arbeitsplätze nach meiner Schätzung etwa 60 % ausmachen, wird die Verdoppelung enorme Wirkungen haben. Und jetzt noch bessere Lichtqualität.
Die o.g. Norm erhöhte die Vorgaben für fast alle Arbeitsplätze um 30% bis 200% an, und das nur, weil man die Bezeichnung für das Gemeinte (früher Nennwert, heute Wartungswert) geändert hat, aber nicht die Werte an sich. (mehr hier) Man bekommt 500 lx, früher bedeutete das 400 lx im Minimum, heute 500 lx eben. Wenn man dann besseres Licht haben möchte, muss man mehr Energie aufwenden (s. DIN EN 15193, Quelle kann leider nicht gelinkt werden). In der Norm kann man z.B. lesen, dass man für ein Quadratmeter Büro 42,1 kWh im Jahr benötigt, wenn man aber eine gute Beleuchtung haben möchten, sind es 67,1 kWh, also 59 % mehr. Was bekommt man für diese gewaltige Steigerung des Konsums an Energie? Einiges, aber doch nicht alles. Was man bekommt, liest sich so: „Besondere Beachtung der gegenseitigen Blickkommunikation durch beleuchtete Gesichter (Ezylindrisch)“ und „Besondere Beachtung von gesundheitlichen Belangen (siehe Anmerkung)“.
Den ersten Vorteil versteht wohl jeder sofort. Ezylindrisch? Man schickt das Licht nicht mehr von der Decke auf den Tisch, sondern richtet es auf die Gesichter. Dafür muss man Energie aufwenden. Macht jeder Bühnenbeleuchter. Was aber die besondere Beachtung von gesundheitlichen Belangen wohl bedeuten mag? Soll in der Anmerkung stehen. Tatsächlich: „ANMERKUNG: Gesundheitliche Belange können sogar sehr viel höhere Beleuchtungsstärken und somit höhere W/m2 erfordern.“ Klar?
Sehr viel höhere Beleuchtungsstärken? Also 59% mehr ist nicht genug, sehr viel mehr muss sein, damit der Mensch im Büro gesund bleibt.
Wenn er wenigstens gesund bliebe! Ein gewisser Luckiesh, sehr bekannt unter Lichttechnikern, hat im Jahre 1926 ein Buch namens „Light and health“ veröffentlicht, in dem zu lesen ist, dass ein Mensch zum gesunden Leben die volle Sonnenstrahlung benötigt. Die gibt es aber in künstlich beleuchteten Räumen nicht, sondern ein mehr oder weniger künstlich hergestellter Auszug davon. Auch Räume mit Tageslicht haben weder UV noch IR. Zum Energiesparen werden die noch vorhandenen Fragmente weggefiltert. Dafür pumpt man mehr Strom in die künstliche Beleuchtung.
Für wen ist das gesund?
Noch eine Anmerkung: Dass man Gesundheit im Büro mit einem Quecksilberfilm über Deutschland erkaufe, ist kein netter Vorwurf. Wer aber Gesundheit in Lux misst, muss sich sogar etwas mehr gefallen lassen. Hochverdient!
Wie viel Quecksilber verursacht …
18.11.10
Schwachsinn bleibt Schwachsinn, auch wenn sich viele dafür stark machen.
frei nach
Erhard Horst Bellermann