Licht und Quecksilber
Licht und Quecksilber
2011
In diesem Blog wird das arme Quecksilber bis in den letzten Winkel der Welt verfolgt, wo es sich auch verstecken mag. Heute habe ich erfahren - wo! Das Quecksilber der Energiesparlampen geht nicht zur Hölle, wo es hin gehört, sondern nach Hessen, ganz nahe bei der Hölle, in eine alte Kaligrube. Nach Spiegel Online aus Kostengründen. Der Beitrag endet damit, die große Energiesparlüge sei entlarvt, wie einst bei der Atomkraft. Am besten das Video selbst ansehen (Einbetten leider nicht möglich):
http://www.spiegel.de/video/video-1112211.html
Wie war es denn mit der Atomgeschichte? Davon habe ich viele Szenen live erlebt. Die erste, ganz im Nebel meiner Erinnerungen. Ich sehe bei der Wochenschau im Kino, das Atomzeitalter sei angebrochen. Auch Deutschland habe einen Atomminister bestellt, der heute (1958) den Grundstein eines Atommeilers für die friedliche Nutzung der Atomenergie gelegt habe. Etwa 30 Jahre später sollte ich dort als Gutachter einziehen, der die Sicherheit nicht nur dieses Meilers prüfen sollte. Davon hatte ich aber nicht die geringste Ahnung, von meinen Zukunftsplänen schon: Physiker werden. Denn die Welt brauchte kostenlose Energie, die Reaktoren sollten nicht nur in Schiffe (etwa Otto Hahn) oder Flugzeuge gebaut werden, sondern auch in Autos. Mann! Jahrzehntelang Auto fahren ohne zu tanken!
10 Jahre später, April 1968: Wir stehen vor einem Brunnen mit dem klarsten Wasser, das ich je im Leben gesehen habe. Es ist aber kein Brunnen, sondern ein Wasserbecken in der Physikalisch Technischen Bundesanstalt Braunschweig, wohl mein erster Blick in den PTB-Reaktor. Faszinierend! Der Chef der PTB sagte aber, es werde nur langsam vorangehen mit der Kernenergie, weil die Bestimmungen für die Sicherheit alles bremsen täten. Warum nur? Ist doch nicht gefährlicher als die Chemie, die man nicht so belästigt.
An den Mann sollte ich mich wieder erinnern, als es in Tschernobyl losging. Im Fernsehen redeten sich an jenen Tagen einige Mitglieder der Reaktorsicherheitskommission um Kopf und Kragen. Irgendwie hieß es, dass die Kernkraft sicher sei, aber … die dummen Russen … Dachte ich auch, nur mit der Sicherheit war da so eine Sache. Ein Cousin von mir war mit von der Partie, als der erste Kernreaktor der Türkei geplant werden sollte. Nach seinen Unterlagen hatte ein deutsches Unternehmen ein billiges Angebot gemacht, ohne den Sicherheits-Schnick-Schnack a la´ Germany. So sinngemäß hieß es im Angebot. Und mir hatte ein britischer Kollege, der beim TÜV gearbeitet hatte, gesteckt, so doll wäre nach seiner Meinung nicht mit der Sicherheit in Deutschland. Er hatte auch in Windscale gearbeitet (heute Sellafield damit keiner an den Skandal denkt). Dass es dort nie zu ernsten Unfällen gekommen sei, ist eine Legende, die dadurch entstehen sollte, dass die Regierung die Berichte eigenhändig retuschiert hatte.
So kam ich auf die Idee, dass man auch deutsche KKW überprüfen sollte. Und die fand tatsächlich statt, und ich war einer der Gutachter. Über den Inhalt kann ich naturgemäß nichts sagen, aber über Erlebnisse im Rahmen dieser Prüfungen. Die decken sich fast vollkommen mit der obigen Story über Quecksilber aus der Energiesparlampe: Öffentlich wird geschworen, dass das Menschenmögliche für die Sicherheit getan werde, in der Ausführung schlägt der Koofmich zu, der meint, dass Sicherheit einfach zu teuer sei. Der sitzt jedem Reaktorfahrer im Nacken, wenn er den entscheidenden Knopf drücken möchte, um einen Reaktorschnellschluss einzuleiten. Ein Knopfdruck - eine Woche Stillstand mit etwa 1 Mio Verlust am Tag. Willst Du das? Noch besser: Wenn das Ergebnis der Überlegung lautet „Anlage vernichten um die Umwelt zu schützen“, muss ein armer Teufel eine Anlage für mehrere Milliarden Euro zum (hauptamtlichen) Teufel jagen. Ernsthaft. Auch ohne den Kaufmann im Nacken hat man da so seine Probleme.
Natürlich gibt es keine Anweisung, kostenbezogen zu denken, wenn die Sicherheit im Spiel ist. Und kein Lampenhersteller wird je angeordnet haben, das Quecksilber heimlich im Hades, Pardon, in Hessen, verschwinden zu lassen. Es geschieht halt. Und hätte ich ein Auto gekauft, das nie mehr betankt werden muss, weil nuklear-angetrieben, würde ich garantiert nicht jeden Tag die Reifen wechseln, damit mein kleiner Reaktor sicher auf dem Chaussee fährt.
mehr dazu: Zeitschrift Hobby vom August 1955, das Wort Atomauto in die Suchmaschine eingeben.
Wohin mit dem Quecksilber - Wieder Mal
07.04.11
Engel machen keine Versprechungen.
Dies ist ein Privileg der Teufel.
Peter Rudl