Licht und Arbeit
Licht und Arbeit
2014
Der Grund, warum ich mich mit der Bildschirmarbeit beschäftigte, waren die Augenbeschwerden, die Bildschirme verursachten. Tatsächlich! Bis zu 85% der Mitarbeiter, die ich in 30 Unternehmen befragte, hatten Augenbeschwerden. Die unterste Stufe war 45%. Immerhin.
Woran liegt es, wenn Menschen Augenbeschwerden haben? Richtig! An der Beleuchtung. Fast überall, wo Menschen Augenbeschwerden bei der Arbeit haben, gibt es Beleuchtung. Ergo? Da fällt mir eine Geschichte ein, mit der ein Statistikbuch beginnt. Es gibt danach eine eindeutige Beziehung zwischen der Abnahme der Neugeburten in einem Land und der Abnahme der Zahl von Störchen. Noch nie hatte jemand besser nachweisen können, dass Babies von Störchen gebracht werden.
Mein Job war allerdings anfänglich nicht, die Beleuchtung als Missetäter zu identifizieren, sondern den Bildschirm. Dass nachher doch die Beleuchtung der Bösewicht wurde, hing mit den Geschäften einer großen Firma zusammen. Die verkaufte z.B. viel Beleuchtung und wäre folgerichtig böse geworden, wenn ich diese beschuldigt hätte, armen Computernutzern die Augen zu martern. Unter anderen Umständen wäre die große Firma wirklich ganz groß böse auf mich geworden - aber da war noch etwas. Die Sozialpolitiker der großen Firma erzählten dem Vorstand, dass die große Firma eine große Zahl von Computernutzern beschäftigen täte. Wenn die Sache mit den Augenbeschwerden nicht der Beleuchtung angelastet würde, würde sie den Bildschirmen in die Schuhe geschoben werden. Da könne man aber nicht viel machen, weil die Bildschirme auch von der großen Firma hergestellt werden. Und die anderen Kunden der großen Firma, würden die Bildschirme womöglich woanders kaufen oder mieten.
Nun war die große Firma so groß, dass sie die Obleute der Normenausschüsse stellte, die Normen über Beleuchtung wie über Bildschirme erarbeiteten. Zudem war sie in der Sozialpolitik der Arbeitgeber groß unterwegs. Ergo? Man stoppte die Normungsarbeit für eine Weile und überlegte sich, was man machen müsse. Der Vorstand trommelte die betroffenen Obleute zusammen und blies ihnen den Marsch: Auf welchem Wege kann die große Firma aus der Misere den größten Gewinn ziehen?
Der Obmann der Lichtleute sang Heureka! Wir haben doch schon eine Lösung, die ein Problem sucht. Also konstruieren wir das Problem. So kam es zu der Lösung mit den BAP-Leuchten. Sie leuchten, erstens, und leuchten nicht so stark, dass man sie auch dem Bildschirm sieht, zweitens. Dass man sie auch sonst nicht sieht, sodass die Leute irritiert sind, würde man später merken - nachdem man das Problem, Pardon, die Lösung installiert hatte. Beleuchten um nicht zu beleuchten (siehe hier), damit nichts blendet. Das ist eine wahre Kunst.
Die wahren Künstler lebten und arbeiteten aber woanders. Die großen Beschwerden, denen abgeholfen werden musste, gesichert per Tarifvertrag, von den Schriftsetzern, die vom Bleisatz zu Bildschirm übergewechselt waren. Hier ein Bild über ihre frühere Arbeitsumgebung:
Das war bei Tage, wie man sieht. Was man nicht sieht, sind die Sehobjekte. Das sind kleine Bleiklötzchen, auf denen Buchstaben wie gegossen prangen, die noch kleiner sein können als diese Schrift. Und die wahre Umgebung sah, wenn die Funzeln an der Decke brannten, eher so aus:
Oder noch dunkler. Realistisch anzunehmen ist ca. 5 lx (!) und das sehr ungleichmäßig verteilt. Das Bild lügt also erheblich. Es wurde nämlich in der Setzerei einer Abendzeitung aufgenommen. Die meisten Zeitungen erscheinen aber morgens und werden nachts gesetzt. Und die Setzer haben nicht selten ein Utensil aufsetzen müssen, weil die Lampen - im Bild ausgeschaltet, ordentlich blendeten. Zu guter Letzt mussten die Jungs auch noch sehr kontrastarme Schrift verspiegelt lesen.
Später sollten die Arbeitsräume z.B. so aussehen:
Kann man sich vorstellen, dass viele Leute heute noch Augen-und/oder Kopfschmerzen bei der Bildschirmarbeit haben? Eigentlich nicht, wenn man nicht viel arbeitet. Bei den Arbeitnehmern rangieren Augen- und Kopfschmerzen aber recht oben auf der Skala. Und es liegt nicht selten an der Beleuchtung - das Bild oben lügt auch, es ist ein seltenes Exemplar - , z.B. wenn man noch die Lösung der großen Firma betreibt.
Im wesentlichen liegt es aber an der Hetzarbeit am Computer, der wir uns - nach Feierabend - zusätzlich freiwillig widmen. Und davor wird uns keine große Firma schützen können.
Die Zeiten, die ändern sich ...
28.08.14
Die ganze Vielfalt, der ganze Reiz, die ganze Schönheit des Lebens besteht aus Schatten und Licht..
Leo Tolstoi
Die einen sehen nur Licht, die anderen nur Schatten
d. Blogg