Licht und Arbeit
Licht und Arbeit
2014
Heute fand ich zwei alte Fotos, die mich an ein großes Dilemma erinnerten. Vor langen Jahren hatte ein Kunde von uns das Problem, dass seine Mitarbeiter nicht wie anständige Büromenschen an getrennten Tischen saßen, sondern an einer langen Schlange. Aus einem bestimmten Grund. Und deswegen sollte die Schlange beibehalten werden. Die Schlange war nicht so schlimm wie die Arbeitsplätze am Band (oberes Bild 2005 als zukunftsträchtig gepriesen, unteres Bild real 1975), weil sie einen Sinn hatte: Visuelle Kommunikation. Kam jemand in den Raum, guckten alle ihn an. Ging der nach einem Gruß an einen bestimmten Arbeitsplatz, wussten die anderen Bescheid. Gefiel die Sache einem nicht, konnten alle dies an seiner Mimik ablesen. Deswegen sollte die Schlange bleiben und so beleuchtet werden.
Ich drückte den Wunsch des Kunden den Kollegen aus eine bekannten Firma für Lichttechnik in die Hand und sagte noch dazu, die müssten auch die Norm DIN 5035 (insbesondere Teil 7) adäquat umsetzen, weil wir bei einer schlechten Lösung garantiert vor der Einigungsstelle landen würden. Und der Richter kannte keine Gnade, weil wir ein wichtiges Urteil vom Bundesarbeitsgericht umzusetzen hatten.
Die gefundene Lösung ließ mich erschauern: Am Ende hingen zwei Lichtbänder fast genau über den Köpfen der Mitarbeiter, was man bereits als falsch propagiert hatte, bevor die Planerkollegen überhaupt mit dem Studium für Lichttechnik begonnen hatten. Wie waren die auf die glorreiche Idee denn gekommen? Sie erklärten, so müssten die Leuchten in einem Raum hängen. Leider stünden die Arbeitsplätze alle falsch.
Jahre später hatte ich selber den Auftrag, eine Beleuchtung für eigentlich unmögliche Arbeitsplätze auszudenken. Es saßen eine bis zu sechs Personen auf einer Fläche von 18 m2 und wollten alle mit eigenem Monitor arbeiten. Eigentlich gesetzwidrig, aber die waren Mitarbeiter der Leute, die die Gesetze machten, gegen die verstoßen wurde. Zudem waren das keine „normalen“ Arbeitnehmer. Ihr Alter konnte zwischen 16 (Azubi) und etwa 77 Jahren liegen, Altbundeskanzler.
Geht so etwas? Geht! Wir konnten nicht nur eine hohe Zufriedenheit bei den Erleuchteten ernten. Der Hersteller machte aus unserem Testobjekt später sogar eine erfolgreiche Produktgattung.
Und was war mit der Norm? Die muss man richtig lesen. Die bestand nämlich nicht nur aus einem Teil 7, sondern aus vielen. Und im Teil 1 stand geschrieben, was eine Beleuchtung zu tun hatte. Diesen Aufgaben entsprechend wurde eine neue Beleuchtung konzipiert, und nicht Leuchten an der Decke verteilt, wie in der Norm eingezeichnet.
Einen Mangel hat die Norm dennoch gehabt, der sich in den neuen Versionen (DIN EN 12464-1) fortgesetzt hat: Es heißt: „Diese Europäische Norm legt Anforderungen an die Beleuchtung von Arbeitsstätten in Innenräumen fest, die den Erfordernissen für Sehkomfort und Sehleistung für Menschen mit normalem Sehvermögen gerecht werden.“ Oder sind es zwei Mängel?
Zum einen wusste man auch vor 50 Jahren, dass Sehleistung für den größten Teil der Arbeitnehmer keine Rolle spielt. Das hat man experimentell festgestellt so etwa 1961, insbesondere für Büromenschen. Deswegen war die Grundlage deutscher Normen zur Beleuchtung von Arbeitsstätten das Erscheinungsbild des Arbeitsraums. So hieß es 1971 (der Autor war maßgeblich an der Erarbeitung der Normen der Reihe DIN 5035 beteiligt, wenn nicht bestimmend):
Jetzt soll die Grundlage Sehleistung sein? Merkwürdig, wo doch die Angaben über die Beleuchtungsstärke so ähnlich sind? Und ganz ähnlich wie früher klingt die Angabe der Beglückten: „… für Menschen mit normalem Sehvermögen gerecht …?“ Was machen dann die anderen? Gucken sie in die Röhre?
So müsste die Angabe der Zielgruppe in der Norm heißen, wäre sie gesetzeskonform: „Die Beleuchtung muss … den Bedürfnissen der Menschen für die Gestaltung der visuellen Umgebung gerecht werden. Im Falle von Arbeitsstätten umfasst die Zielgruppe Personen mit einem Alter zwischen 16 und 65 Jahren, von denen ein überwiegender Teil eine Sehhilfe trägt: …“
Wem und was nützen Normen für Menschen mit normalem Sehvermögen, wenn in manchen Bereichen bis zu 70% der Arbeitnehmer Brillenträger sind?
Für wen machen wir Licht im Büro?
27.08.14
Wer keine Probleme löst, darf sich nicht wundern, dass sich keiner für das Angebot interessiert.
Peter Sawtschenko
und wer neue Probleme schafft? Was macht man mit seiner Lösung?
d. Blogg