Licht und Wissenschaft
Licht und Wissenschaft
2014
Heute las ich in dem Buch einer der größten Koryphäen der Lichttechnik. Interessant ist zum einen, dass er geschrieben hat, die letzte Ausgabe des Buchs hätte er erst 2002 geschrieben und hätte keine so schnelle Überarbeitung geplant gehabt. Nu wäre so viel geschehen in den letzten 12 Jahren … Toll, dass man auf einem Fachgebiet so schön planen kann, dass wichtige Bücher alle 20 oder mehr Jahren überarbeitet werden müssen.
Das wäre ja noch zu ertragen. Was mich aber interessiert hat an dem Buch - das war der Grund für die Beschaffung - war, was er zu einem bestimmten Thema zu sagen hätte. Das Thema heißt: Können Umadaptationen zwischen dem Bildschirm und anderen Sehobjekten (Papier) den Menschen irgendwie beeinträchtigen.
Zu dem Thema hatte ich etwa 1976 meine Meinung gesagt: Ja! Erstens hatte ich gelernt, dass Umadaptationen viel geringeren Ausmaßes, so etwa wenn ein Fußballspieler vom Feld zur Tribüne guckt, und nur zeitweilig geschehen, so maximal 2 Stunden, Spiel + Verlängerung, zur Ermüdung führen. Deswegen hatten die größten Hersteller von Flutlichtanlagen eine Norm gemacht, die die Beleuchtung der Tribünen auf das gleiche Niveau heben sollte wie auf dem Feld.
Wenn die armen Spieler davon ermüden, dass sie einmal die Woche 2 Stunden auf dunklere Tribünen schielen, was macht ein Büromensch, der am Tage 33.000 Mal zwischen einem hell beleuchteten Papier und praktisch schwarzem Bildschirm hin und her guckt? Die Zahl hatten wir berechnet, nachdem wir die Blickbewegungen bei der Arbeit gefilmt und ausgezählt hatten. Und die Augenbeschwerden? Bei den Menschen, die tatsächlich ihre 33.000 Blickbewegungen am Tage hatten, hatten 85% Augenbrennen bis Tränen in den Augen. Wer nur auf dem Bildschirm arbeitete oder nur auf dem Papier, beschwerte sich halb so häufig. Ergebnis von 30 Feldstudien mit über 1.000 Beteiligten.
Da die Reaktion darauf für mich klar zu erwarten war, hatte ich nicht Messgeräte benutzt, die die Zählung automatisch machten, sondern Aufnahmen von den Augen gemacht, damit man auch später sehen konnte, was mit ihnen dabei passiert. Meine Schlussfolgerung aus dem Ganzen war: Bildschirme müssen einen hellen Hintergrund haben, und auch deren Gehäuse und Tastaturen müssen etwa die gleiche Leuchtdichte aufweisen. Wenn nicht, gibt es ständig erzwungene Pupillenbewegungen im Sekundentakt.
Aus heutiger Sicht kann sich keiner vorstellen, was die Hersteller dazu bewog, diese Idee heftigst zu bekämpfen. Einfach: Sie konnten nicht, und sie wollten sich nicht nachsagen lassen, Geräte zu verkaufen, die die Menschen belasten. Ergo? Was macht Hersteller, wenn er nicht kann?
Zuerst macht er die Methode madig, die zu der unerfreulichen Erkenntnis geführt hat. Das versuchte ein großer deutscher Hersteller - er stellt heute nichts mehr her, was Menschen benutzen, nur noch Industriegüter - mit einer großen Trickserei. Die von ihr in Auftrag gegebene Studie zeigte, dass die Sache tatsächlich stimme, aber erst bei einem Verhältnis von 1:100 zwischen Bildschirm und Papier. Da kein Gerät so dunkel war - falls es doch sein sollte, half eine Prüfstelle etwas mit der Messung nach - war die Sache für diesen Hersteller gegessen. Ein deutscher Prof. profilierte sich fortan mit den Ergebnissen international und vergaß anzugeben, dass der Auftrag von einem Hersteller gekommen war und das gewünschte Ergebnis erbracht hatte. So etwas nennt man funktionelle Amnesie!
Der richtige Widerstand kam aber von einem internationalen Hersteller. Der hatte damals Ergonomie-Labore, deren Experten meine Methoden anzweifelten und daher eigene Studien anstellten. Mein Angebot, sie mögen die Studien Studie sein lassen und sich die Filme angucken, schlugen sie aus. Dann hätten sie das gesehen:
Die hellen und dunklen Objekte in diesem Video unterscheiden sich in der Leuchtdichte nur um den Faktor 3, und das Auge ist helladaptiert, während der Faktor in der Realität 10 bis 30 betrug. Dass bei solchen Verhältnissen zumindest die Pupille in heftige Bewegungen gerät, konnte man berechnen, vorhersagen oder eben filmen.
Meine Erkenntnisse kamen zuerst in die Sicherheitsregeln der BG, später sogar in die Gesetzgebung (Bildschirmrichtlinie der EU). Alles schien in Ordnung, so etwa 25 Jahre, während einer Periode, in der auch der besagte internationale Hersteller gelernt hatte, helle Bildschirme zu bauen. Was denn sonst?
Es störte aber immer noch, dass die Geräte hell sein sollten und ihre Tastaturen auch. Da kam der Hersteller mit zwei Studien, die zeigen sollten, dass die Anforderung unbegründet war. Zur Ehrenrettung muss gesagt werden, dass dieser Hersteller die Studien als seine Auftragsarbeit präsentiert hat, während andere durch die Landschaft ziehen und sich Profs. aussuchen, die passende Ergebnisse liefern. Bis sie einen finden, der die Sache so dreht und wendet, dass sie passt. Ein anderer Hersteller hat sogar einen gefunden, der nachwies, dass ein Gerät nicht glänze, obwohl es zum Glänzen gemacht worden war. Da man nicht nur bei diesem Thema ähnliche Vorgänge erwarten darf, haben wir die Sache gründlich und wissenschaftlich untersucht (Wer sich für alle Details interessiert, kann hier Erleuchtung finden: (englisch und französisch) http://www.baua.de/de/Publikationen/Forschungsberichte/2006/Fb1067.html?nn=668490 und deutsch http://www.baua.de/de/Publikationen/Forschungsberichte/2006/Fb1066.html).
Wie man in diesen Berichten in drei Sprachen lesen kann, zeigte dass die eine Studie, die der Hersteller präsentiert hatte, das Geld nicht wert war, weil die Randbedingungen so waren, dass eigentlich das Gegenteil des Erwünschten herausgekommen war. Die zweite Studie war besser ausgeführt, weil der Forschungsleiter die besagte Koryphäe war. Seine Schlussfolgerung kurz und bündig: Die Leuchtdichten der Gehäuse der Geräte braucht man überhaupt nicht zu beachten. Alle Stellen, die diesbezügliche Regeln aufgestellt haben, werden aufgerufen, diese wieder zu beseitigen.
Diese Erkenntnis widersprach aber dem, was die Koryphäe in der Zeit davor veröffentlicht hatte. Und meine ursprüngliche Erkenntnis baute auf den Weisheiten solcher Leute auf. Was sagt unsere Koryphäe nun in seinem Buch dazu?
Erstens: Er zitiert sich 30 Mal in dem Buch, und die Zeitschrift, deren Chef er ist, etwa 200 Mal. Die besagte Studie wird aber nicht zitiert. Dafür eine andere von Anderen. Und die besagt? Was so etwa seit 35 Jahren gilt. Was sonst?
Was bedeutet eigentlich caveat emptor? Das habe ich seinem Buch entnommen, dort wo er die Studien bemängelt, die eine Verbindung zwischen Leistung und Beleuchtung nachweisen sollten. Der Begriff kommt aus dem Römischen Recht und bedeutet, „möge der Käufer sich in Acht nehmen“ (ein Rechtsgrundsatz, wonach beim Kaufvertrag der Käufer das Risiko dafür trägt, dass der Kaufgegenstand frei von offenen Sach- und Rechtsmängeln ist. Konnte sie der Käufer erkennen, ist eine Mängelhaftung des Verkäufers ausgeschlossen). Im Volksmund würde man sagen „Wer´s glaubt, wird selig!“
Oder: Augen auf, später hilft Dir keiner! Oder man findet sich einen Prof., der …
Caveat Emptor
14.07.14
Es genügt oft ein kleiner Stein
um einen Riesen zu Fall zu bringen..
Anke Maggauer-Kirsche
Zwerge fallen nicht so tief!
d. Blogg