Licht und Facebook
Licht und Facebook
2014
Wie konnte es mir passieren, dass ich LICHT auf Facebook verpasse? Eigentlich war ich nach dem Cover des Buches aus, in dem das Ende der Nacht verkündet wird. Da wurde ich zum Facebuch-Auftritt von LICHT geführt. 0 Fans und Ende der Nacht?
Nicht ganz ernst gemeint. Der Auftritt hatte heute 25.400 Fans, Tendenz steigend. Am schönsten fand ich die Timeline der Bilder. Zwar habe ich sie alle irgend wann mal gesehen, weil ich immer die gedruckte Ausgabe lese. Die Zusammenfassung in Karos in der Timeline gibt aber eine ganz andere Qualität, weil man etwa 16 Stück auf einmal sieht und schnell scrollen kann.
Da kamen bei mir Zweifel ob der Zukunft der Printmedien auf. Sie waren schon einmal totgesagt worden - etwa 1972, als sich die dpa einen Computerbildschirm geleistet hatte. Flugs entstand die Story, dass künftig die gesamte deutsche Presse nur noch die Kopien der Meldungen der Deutschen Presse Agentur abdrucken würde.
Im Jahr 1975 verhielten sich die Verleger wie Hühner, vor deren Stall der Fuchs scharrte. Und 1976 folgte der erste Streik in der deutschen Industriegeschichte, bei dem es um die Qualität der Arbeit ging. Früher waren es die Moneten. Der Streik wurde so fies geführt, dass am Ende der Bundeskanzler Helmut - nicht Kohl, sondern Schmidt - persönlich eingreifen musste. Deutsche Zeitungen erschienen ohne Typographie, weil das bedrohte Volk die Setzer waren - die Jünger von Gutenberg bzw. die Creme der deutschen Arbeiterschaft. Häufig erschienen sie gar nicht. Danach hatten die Bleisetzer ausgesetzt.
Man fühlte sich 1979 wieder bedroht. Diesmal hieß der Bösewicht Videotext der Fernsehanstalten. Man fürchtete, dass die Textschnipsel, die man in der Tastlücke des Fernsehbildes ausstrahlte, die Zeitungen ersetzen würden. So musste das Fernsehen den Verlegern ein Zugeständnis machen. Sie bekamen einen Gratis-Auftritt. Ich glaube, der WDR hat sie noch. Übrigens, der „Erfinder“ von Videotext, die BBC, strahlt ihn nicht mehr aus. Zu alt! (Dafür modernisieren die deutschen Sender ihr Angebot)
Aufatmen bis zur nächsten Bedrohung! Diesmal, 1983, war es BTX, der den Printmedien den Garaus machen würde. Erstaunlich, wie wenig die Verleger und Macher der Zeitungen von der besonderen Qualität ihrer Produkte überzeugt waren. BTX machte schon jemandem den Garaus. Zuerst denen, die an ihn glaubten, so z.B. Quelle, dem Versandhaus, das Unmengen Geld in ein untaugliches Medium warf. Danach war BTX selbst am Ende und lebt nur noch als Zombie von sich selbst fort (T-Online).
Schlappe 10 Jahre nach BTX kamen die interaktiven CDs langsam in Mode. Diese würden vor allem dem Buch ein Ende bereiten. Tatsächlich blieb diesmal ein Printmedium auf der Strecke, die Enzyklopädie. Wer mal im Großen Brockhaus nach was gesucht hat, weiss schon warum: Band 11 aus dem Regal nehmen, nach dem Stichwort suchen. Man wird auf einen Eintrag verwiesen, der mit K anfängt. Also zum Regal gehen, die Bände überfliegen, den Band mit K nehmen. Ja, tatsächlich steht dort was über das Gesuchte, Kookaburra. Allerdings muss man drei weitere Bände absuchen, bis man genug über den Vogel gefunden hat. Der ist nämlich ein Eisvogel (unter „E“), wird in Deutschland aber der „Lachende Hans“ genannt (unter „H“ oder „L“?) und lebt in Australien („A“). Warum er bei uns anders genannt wird? Die Enzyklopädie sagt, wegen seiner Stimme. Aha! Wie höre ich die, ohne nach Australien zu reisen? Etwa im Zoo? Nein, am Computer. Meine erste CD mit einer Enzyklopädie hatte bereits die Stimmen sämtlicher Vögel und Musikinstrumente etc. darauf. Selbst die berühmte Rede von Martin Luther King „I have a dream“ konnte ich mir vorspielen. Der Tod der gedruckten Enzyklopädie dauerte etwa 10 Jahre nach Erscheinen der ersten CD mit Hypertext. Mit ein paar Klicks war man damals vom Lachenden Hans zum Dinosaurier als dessen Urgroßvater gekommen. Allerdings benötigte man dazu einen Macintosh oder eine ordentliche Aufrüstung vom PC. Wenn man sein Werk als DVD mit Videos gekauft hatte, hatte man als PC-Nutzer noch vor Kurzem Probleme. Ergo, man blieb weitgehend beim Print. Die CD ist schneller gestorben als gedacht. Die neuen Macintosh enthalten keine Player mehr.
Die gewonnenen Schlachten hatten den Printmedien den Rücken gestärkt. Auch die ersten e-Books (z.B. Rocket) gaben gegenüber dem gedruckten Buch bestenfalls eine Lachnummer ab. Selbst das massiv von Amazon subventionierte Kindle konnte bislang dem Buch nicht den Rang ablaufen.
Und? Ich muss heute tief grübeln, ob meine Tageszeitung besser in der Hand liegt oder die pdf-Version auf dem iPad. Wenn ich etwas mit dem Gelesenen anfangen will, z.B. weiter recherchieren, kopieren, abspeichern, sieht die liebe Zeitung mau aus, wie auch ihre Zukunft.
Was hat das mit Licht zu tun? Zum einen, LICHT sieht auf Facebook ganz anders aus als auf Papier, für manche viel schöner. Das Produkt, von dem LICHT lebt, das Licht, wird künftig zum Lesen immer seltener benötigt. Zwar braucht man auch im iPad Licht, allerdings nur in homöopathischen Mengen. Wer erleben will, wie Technik den Bedarf an Licht mindern kann, sollte sich mal eine alte OP im Krankenhaus ansehen, wo man mit Beleuchtungsstärken bis an den Rand der thermischen Belastbarkeit gehen musste. Und die mit einer modernen vergleichen. Beleuchtung im Raum gedimmt, fast dunkel. Leuchten tun die Monitore und das Lämpchen am Operationsbesteck, das man freilich draußen nicht sieht. Aus die Maus!
Wir müssen nicht mehr Räume mit Licht füllen, weil irgend jemand irgend wann an irgend einem Punkt irgend etwas sehen wollen könnte. Wir füllen ja unsere Arbeitsräume nicht mit Stühlen, weil wir nicht wissen, wann wer wo sitzen wollen könnte. Heute denkt man zwar noch nicht daran, die Straßenbeleuchtung abzuschaffen, weil die Straßen kaum noch von Menschen betreten werden. Man würde aber gerne von den etwa 9 Millionen deutschen Straßenlaternen immer nur diejenigen einschalten, die gerade benötigt werden. Heute warten die 9 Millionen Laternen von der abendlichen bis zur morgendlichen Dämmerung auf jemanden, der in ihren Lichtkegel tritt. Sehr häufig aber vergeblich.
Das Jahr 2015 hat die UNESCO zum Jahr des Lichts erklärt. Noch ist seine (Hoch)Zeit nicht abgelaufen.
Macht LICHT der Nacht den Garaus?
06.03.14
Wer auf der Linie des Zeitgeistes steht, der ist »online«
Ständig oder manchmal?
d. Blogg.