Licht und Architektur
Licht und Architektur
2014
Gestern erlebte ich einen tollen Raum, der mich dazu bewegt, alle Kritik an den lichttechnischen Normen erst einmal zu vergessen, die ich gerne schreibe. Der Raum gehört zu einem preisgekrönten Haus, und dort in den Vorstandsbereich. Also in den Bereich, an dem man kein Geld spart, damit sich der Vorstand wohl fühlt. Ich musste gestern vor den anderen hinein, um eine Präsentation vorzubereiten. Danach kamen etwa 60 Leute, denen ich auch etwas über schlechtes Licht erzählen wollte.
Man konnte sich alles sparen - oder die Veranstaltung zu einer über die Meriten der Lichttechnik umwidmen. Eine Satireveranstaltung über einen Architekten abzuhalten, der wohl seine Auftraggeber quälen wollte, wäre auch keine schlechte Idee.
Erst einmal der Raum: Großer Saal mit großen Fenstern und Tageslicht sogar von der Dachluke direkt auf den Kopf des Vorsitzenden. Gesundes Licht mit Glühlampen, schön abgeschirmt, damit kein Auge der hohen Herren auch nur näherungsweise Blendung empfindet. Möbel edelst ausgestattet. Damit man Dias oder gar Bilder vom Epidiaskop störungsfrei projizieren kann, alles sogar lichtdicht abdunkelbar. Also schöner geht es nimmer.
Als ich alleine da sass, blendete mich der schöne Frühlingstag draußen fürchterlich. Dabei liebe ich das Tageslicht. Und verbringe zuweilen Mittagstunden auf tropischen Inseln im Freien. Ohne Sonnenbrille. Was war in diesem Raum? Alle Raumbegrenzungsflächen waren entweder schwarz oder fast schwarz oder sahen schwarz aus, weil kein Licht darauf fiel. Ich weiß nicht, wann ich gelernt habe, dass die Leuchtdichten im Gesichtsfeld balanciert sein sollen. Es war aber nicht erst in der dritten Vorlesungsstunde bei Lichttechnik. Ich schätze mal, Innenarchitekten kannten solche Vorstellungen vor meiner Geburt. Chinesen vielleicht im zweiten Jahrtausend vor Christi Geburt - feng shui …
Dass das Auge Flächen über ihre Leuchtdichte sieht und deswegen auf diese geachtet werden möge (Beleuchtungsstärke mal Reflexionsgrad), habe ich spätestens in der vierten Stunde gelernt. Das war übrigens ca. 9 Jahre vor der Fertigstellung des besagten Raumes.
An der sehr interessant geformten Decke hingen ganze Batterien von Downlights mit Reflektorglühlampen. Schön … teuer und nutzlos, weil das einzige was sie können, ist blenden. Ansonsten sieht man ein Glimmen in einem schwarzen Rohr. Als Student hatte ich ähnliche Objekte gemessen und eine Schelte vom Professor eingefangen, weil die Messwerte hätten unmöglich stimmen können. Der Leuchtenwirkungsgrad lag so bei 20%. Da Glühlampen bekanntlich bei der Umwandlung von Strom in Licht nicht gerade kleinlich sind, schätze ich mal, dass etwa 1% der eingespeisten Energie das Gebilde als Licht verlassen kann. Nicht schlecht, wenn man das eine Prozent sinnvoll aufwenden könnte. Auch das war aber nicht möglich, weil der Fussboden fast schwarz war. Zwar kann man auf einem Blatt Papier etwas lesen, wenn es auf einem der Tische platziert ist. Aber angenehm heißt anders.
Noch schöner als die Downlights schienen die Strahler, die nach oben gerichtet waren und somit eine fast schwarze Decke getroffen haben bzw. treffen, bis man sie abschaltet. Besser kann man Energievernichtung nicht darstellen.
Optisch gesehen fühlte sich diese Wohlfühloase an wie unser Lichtlabor, in dem alles Licht so gerichtet ist, dass es keine hellen Flecken verursachen kann, so es überhaupt da sein darf. Nach einem Tag in einer solchen Umgebung weiß man nicht, ob es draußen Winter oder Donnerstag ist. Man verbringt dort aber nicht den ganzen Tag. Zum anderen fehlen dort die Störungen durch das Tageslicht und die Sonne.
Unangenehmer als ein Dunkelraum - dass muss man können! Der Architekt konnte aber noch mehr „Wohlfühl“! Der Raum soll in der wärmeren Jahreszeit etwa Temperaturen wie in Finnland erreichen - ich meine, wie in gewissen Einrichtungen dort. Macht nix, Vorstände sind zwischen April und Oktober eh nur an der Riviera an der Promenade anzutreffen.
Ich lass´ meine Normensammlung zu einem dicken Buch zusammen binden. Den kriegt der nächste Kreative an den Kopf geschmissen, der mit seinen Super-Konzepten mir über den Weg läuft. Wenn er die Sache überlebt, darf er weitermachen.
Asche über mein Haupt
15.03.14
Wer den Zeitgeist heiratet ist schnell Witwe!
Erich Mühsam
oder Witwer?
d. Blogg.