Licht und Lampe und Lüge
Licht und Lampe und Lüge
2013
Gestern Abend kramte ich in alten Sendungen von Extra 3 herum und fand eine Sammlung Realsatiren, aus denen eine besonders herausragte: Heinrich Göbel bzw. vielmehr der Umgang der Stadt Springe mit ihm. Springe ist nicht irgendeine deutsche Stadt, jedenfalls nicht für Lichttechniker. Dort saß einst die AEG Lichttechnik. Sie sitzt immer noch da in der Rathenaustraße, heißt aber jetzt anders. Die Stadt hat sich richtig Mühe gegeben mit dem Sohn Heinrich Göbel, später Henry Goebel genannt, der die Glühlampe erfunden hat. Nach seiner Version, genau genommen.
Die Springer ehrten seit 1929 Heinrich Göbel als Erfinder der Glühlampe, was an verschiedenen Stellen in der Stadt sichtbar ist. Ein Bronzerelief mit einer ewig brennenden Glühlampe erinnert an den 1848 nach New York emigrierten Springer Bürger. Im Museum auf dem Burghof befasst sich eine Abteilung mit Heinrich Göbel. So kann man dort erfahren, dass man glaubte, Heinrich Göbel habe kurz vor seinem Tode in einem Prozess die gebührende Anerkennung erhalten, bereits 25 Jahre vor dem Amerikaner Thomas A. Edison eine gebrauchsfertige Glühlampe erfunden zu haben. Zur einhundert-jährigen Wiederkehr der Erfindung 1954 feierte Springe das "Jahr des Lichtes". Seit dem leuchtet jeden Abend über der Stadt, weithin sichtbar, auf einem Obelisk das Glühlampensymbol. Dieses Denkmal steht an einem guten Aussichtspunkt am Deisterhang auf der Göbelbastei.
Göbel ohne Ende. Und dann das: Ein böser Mensch, Dr. Hans-Christian Rohde, hat in seiner Diss die ganze Göbel-Legende als heiße Luft entlarvt. Nun muss sich die „Stadt des Lichts“ Lügenlampenhausen schelten lassen, frei nach dem Professor, bei dem Göbel gelernt haben will, Prof. Munchausen. Einen Mann mit diesem Namen gab es schon, aber der zog es vor, auf Kanonenkugeln zu reiten.
Was ist daran so bemerkenswert? Zum einen: Das Alter der Entlarvung der Legende. Es ist mehr als 100 Jahre her, dass die Gerichte Göbels Ansinnen zurückgewiesen haben. Trotzdem schimpften die Springer in Extra 3 auf den Doktoranden. Warum dieses Wasser in unseren Wein?
Warum? Ist mir egal. Aber nicht die Entstehung dieser Legende. Göbel wurde vermutlich von Glühlampenherstellern vorgeschickt, um das Patent von T. Alva Edison zu Fall zu bringen. Es kommen auch andere in Betracht, Möchtegern-Stromproduzenten. Denn Edison verdiente sein Geld mit Strom. Er hatte wohl bei einem anderen Mächtigen seiner Zeit die brennende Idee abgeguckt: Rockefeller und „Öl für die Lampen Chinas“. (Erzählung und Film lesenswert bzw. sehenswert) Was macht man, wenn niemand einen Stromverbraucher betreibt? Man gibt ihm einen - die Glühlampe. Was Kerosin für Rockefeller war die Glühlampe für Edison.
Zu seinen besonderen „Freunden“ zählte ein gewisser George Westinghouse, der meinte, dass Edison spinne. Man könne die USA nicht mit einem Gleichstromnetz überziehen, und das bei 110 V, weil erstens niemand so viel Kupfer beschaffen könne. Und zweitens, würde der St. Andreas Graben unter dem Gewicht der Leitungen gleich nachgeben. Westinghouse hatte aber erst einmal das Nachsehen, weil die Hersteller unter Berufung auf ihre Urheberrechte damals häufig das Benutzungsrecht verkaufter Glühlampen auf lizenzierte Stromnetze beschränkten. Hotels und Büros mit eigenen Dynamos wurden erfolgreich mit gerichtlichen Verfügungen auf Unterlassung der weiteren Nutzung ihrer Glühlampen belegt. Die Glühlampenhersteller sicherten sich so auch den Markt der elektrotechnischen Infrastruktur und behinderten freien Wettbewerb und Innovation. Irgendwie kommt mir das sehr bekannt vor. Man kann in diesem Blog schnell herausfinden, an wen ich dabei denke. Man stelle sich vor: Man kauft eine Lampe und darf diese nur in eine lizensierte Fassung schrauben, die an einer lizensierten Leitung hängt, an deren Ende eine lizensierte Dynamomaschine werkelt. Uff! (Einige Einsichten in solche Geschäftsmodelle sind zu lesen in Der Spiegel aus dem Jahre 1997. Es geht um ein Kartell, das 95 Jahre gehalten hatte.)
Göbels Story war Teil eines Stromkrieges, an dessen Ende (Ende?) Edison den Kürzeren zog. Wechselstrom ist besser geeignet für große Länder. Damit der Gegner gründlich diskreditiert wurde, hatte Edison einen schönen Auftrag entgegengenommen: Die Entwicklung des elektrischen Stuhls für Hinrichtungen. Natürlich betrieben mit Wechselspannung. Es half nix. Der Wechselstrom, besser der Drehstrom, wurde Standard. Aber Edison war derart stur, dass der New Yorker Stromversorger Consolidated Edison die Lieferung von Gleichspannung erst Ende November 2007 einstellte. Edison räumte sein Eintreten für das Gleichspannungssystem als größten Fehler seiner Karriere ein. (Er hätte vielleicht etwas warten sollen. Heute ist Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung wieder ein Thema - z.B. wenn man auf Island Strom produziert, geothermisch, und in England verbrauchen will. Da sieht Wechselstrom schlecht aus.)
Unsere kleine Stadt Springe ehrt also einen, den Gegenmächte von Edison instrumentalisiert haben, um dessen Macht über die Stromnetze zu brechen. Dessen Schaffenskraft war aber so immens, dass er sogar der Namensgeber für die AEG wurde. Die hieß zu Beginn nämlich „Deutsche Edison Gesellschaft“. Ach ja, wie hieß doch die General Electric früher? Edison General Electric Company! GE steht in den Rankings zwischen dem 3. Platz (weltweit nach Größe) und dem 63. (nach grünem Handeln). Weniger grün handelt Westinghouse: Sie baute viele Kernreaktoren. Sie gehört aber jetzt Toshiba. Japaner wissen, wie man solche Dinge betreibt.
hier geht es auf die Seite mit Springe und Göbel
hier der Wikipedia Artikel zu Heinrich, Pardon, Henry Goebel
hier die Geschichte mit dem Stromkrieg
hier die Sache mit Hochspannungs-Gleichstrom-Übertragung
hier kann man mehr Realen Irrsinn finden
Legende im Eimer
30.07.13
tech'ne
[ altgr. Kunst, Gewerbe, Geschick, List]
eben altgriechisch
War Edison Techniker oder Kaufmann?
d. Blogg.