Licht und Unsinn
Licht und Unsinn
2013
Heute fiel mir ein ganz altes Bild in die Hände. Es hat historische Bedeutung, denn damit hat die Suche nach einem Plätzchen für Leuchten an der Decke eines Büroraums angefangen. Beraten durch die Fachleute eines befreundeten Unternehmens in Sachen Licht, hat die verblichene Firma Nixdorf Computer eine Vorstellung davon entwickelt, wo es an einem Bildschirmarbeitsplatz herkommen darf. Vielmehr wo es nicht herkommen darf. Wenn man sich die Lösung ansieht, kann man ihre Schöpfer nur bewundern, wie sie mit der Physik umzugehen wissen. So sieht die Lösung aus:
Also: Von hinten dürfen die Leuchten nie leuchten. Da sind ohnehin meistens Fenster. Das ist erstmal gestrichen. Von hinten oben dürfen sie auch nicht kommen. Spiegelungen auf dem Bildschirm sind zu befürchten. Von oben vorne dürfen sie auch nicht leuchten, da gibt es direkte Blendung. Ganz von vorne dürfen sie auch nicht sein, die Leuchten oder die leuchtenden Fenster. Übrig geblieben ist der winzige Bereich über dem Tisch. Der ist OK. Sagt das Bild. Ein richtiger Lichttechniker wird sagen, um Gottes Willen. Wenn die Leuchten dort angebracht werden, gibt es Reflexblendung. Gibt es auch. Von wo sollen die armen Dinger denn leuchten?
Die geniale Lösung, die ein schwedischer Arbeitsmediziner gefunden hatte, Abdunkeln, mag ich gar nicht. Menschen brauchen Licht. Bleibt also die Lösung, dass die Leuchten von unten hoch leuchten. Solche Einfälle, d.h. Lichteinfälle sind zwar üblich, aber nur im Theater, um die Hexe noch böser aussehen zu lassen. Im Büro nur für wenige Arbeitsplätze geeignet.
Eine weniger geniale Lösung hatte mein Institut so etwa Ende 1986 entwickelt. Die Leuchten sollen, wenn sie denn leuchten wollen, gerade mal so hell leuchten, dass sie weder Direkt- noch Reflexblendung verursachen. Die Idee dazu hatte eine Firma für Lichttechnik entwickelt, aber umständlich mit einer teuren Optik gekoppelt, die die Leuchten dicker machte. Unsere Lösung: Fliegengitter oder Lochblech. Leider wollte die Industrie nicht überall „hochwertige“ Optik durch Lochblech ersetzt sehen.
Was tun? Die radikale Lösung hatte ich bereits etwa 1976 entwickelt und den Leuten von der Computerindustrie auch verklickert: Man möge den Bildschirmhintergrund hell machen, dann sieht man die Spiegelungen nicht. Und so hell, dass der noch sichtbare Rest nicht stört. Zudem sollen die Bildschirme eine gerade und entspiegelte Oberfläche haben. All das steht in einem Buch geschrieben, das Jahre nach der Entwicklung der Idee gedruckt wurde, weil eine bestimmte Firma ihr Geld mit Leuchten machen wollte anstatt mit Entspiegelungen an ihren Bildschirmen. Die Firma sollte damit zum Überdenken ihrer Strategie angeregt werden. So sah übrigens der Deckel des Buches aus:
Die rechten Bildschirme auf dem Deckel entsprechen den damaligen Produkten der gemeinten Firma. Damit sie nicht spiegeln, wurde eine Leuchte kreiert, deren Name mit Bildschirm anfängt. Sie überzeugte andere, die auch mit Leuchten Geld machen wollten, anstelle dem Problem abzuhelfen. Vielleicht wollte man auch nicht. Denn selbst im Jahre 2013 heißt es im Internet: „… Ein weiterer großer Vorteil von Glossy-Displays sind die geringen Kosten bei Produktion und Herstellung. Die Entspiegelung von TFT-Panels ist kostenintensiv.…“ (Quelle hier) Die Lösung, die die zuletzt gemeinte Firma vor ein paar Tagen angekündigt hat, wurde übrigens bereits 1975 angeboten. OCLI lautete ihr Hersteller, und das Produkt hieß λ/4-Beschichtung, in der Physik länger bekannt als Einstein. Allgemein bekannt als Dünnschichttechnik, üblich in der Fotografie seit etwa 1930.
So gucken viele viele Menschen seit mehreren Jahrzehnten dumm in die Röhre. Es gibt zwar mittlerweile nicht nur kleine Monitore wie oben auf dem Bild, die einen ebene Oberfläche besitzen, die auch noch entspiegelt ist. Positivdarstellung ist zudem seit Ewigkeiten Standard. Was fehlt, ist dass die Fachleute anerkennen, dass ihre Lichtlösungen ein Märchen aus der guten alten Zeit sind. Jeder kann seine Beleuchtung ohne Rücksicht auf den Bildschirm wählen, wenn dessen Designer Rücksicht auf dessen Benutzer genommen haben. Was sonst? Da zur Zeit mindestens drei Normenausschüsse mit Glanz und Gloria beschäftigt sind, darf man auf baldige Lösung hoffen, ich meine, auf die Anerkennung der Lösungen von Anno Tobak. Vielleicht zum 50. Jubiläum des obigen Bildes von Nixdorf?
Licht von unten?
21.05.13
Sparen ist eine gute Einnahme.
Magnum vectigal est parsimonia.
Cicero
… aber nicht am Monitor