Licht und Büromöbel
Licht und Büromöbel
2013
Büro ist, wenn man einen Schreibtisch hat und zwei Laternen darüber. Rechts und links, wie man in der lichttechnischen Literatur lesen kann. Früher gehörte unbedingt ein Bürodrehstuhl dazu. Denn der Büromensch muss sitzen. Nur der Bürovorsteher darf anders. Er durfte …
Heute sieht es anders aus. Wer einen gütigen Arbeitgeber hat, der auf die Lockrufe der Büromöbelindustrie hört, darf auch stehen, so er stolzer Besitzer eines Steh-Sitz-Arbeitsplatzes ist.
An sich eine gute Sache. Deswegen mache ich sogar kostenlos Werbung für die Büromöbler. Gesünder als Sitzen, gesünder als Stehen. Haltungswechsel nennt sich das. Leider müsste man es heute häufig als erschwerte Haltung mit unvorhergesehenen Problemen nennen. Denn der stehende Mensch kommt, wie weiland Ikarus der Sonne, pardon der Beleuchtung näher. Man kann sich das Problem leicht vorstellen, wenn man die Dimensionen eines Menschen zu denen eines Arbeitsraums in Bezug setzt. Wenn er sitzt, befinden sich seine Augen in einer Höhe von - theoretisch - 121 cm. Da ist noch viel Luft bis zur Decke, na ja, ziemlich viel Luft, die 250 cm lichte Höhe aufweisen soll (in Bayern 240, die sind kleiner, aber dafür breiter).
Da es modern ist, die Leuchten nicht mehr in die Decke einzubauen, hier schreibt ein Befürworter davon, pendeln die Dinger, sagen wir mal 50 cm darunter, also bei 200 cm. Immer noch fast 80 cm von Auge zu Leuchte. Was aber, wenn man aufsteht? Die theoretisch allerkleinste Frau mit 143 cm Höhe der Augen über´m Boden kann sich noch glücklich von der Leuchte absetzen. Der theoretisch größte Mann beäugt dieselbe aus nur noch 25 cm Entfernung. Der tatsächlich größte könnte durchaus direkt da hinein gucken. Oder mit dem Kopf anstoßen.
Nicht ganz intelligent - oder? Noch weniger intelligent schaut übrigens so ein Büroraum aus, wenn derjenige in Fensternähe seinen Tisch schön hoch stellt, und der im Rauminnern sitzenbleiben will. Tageslicht ziemlich mau, Kunstlicht halbwegs abgeschattet. Und die Raumanmutung? Lieber schweigen. Sichtverbindung mit der Außenwelt? Die wird allerdings besser, wenn beide stehen.
Wer die Sache umfassend betrachten will, sollte auch an Klima denken. Ganz intelligente Gebäude arbeiten mit Bauteilaktivierung. Da hat man die wunderbar gekühlte Decke im Sommer schön nahe über dem Skalp, so man noch dessen erfreuen darf, im Winter wird die warme Luft nach unten durchgeschossen und trifft insbesondere die Stellen hart, die von der Haarpracht bereits befreit worden sind.
Ich hatte mal bei einem Kongress für „Intelligente Gebäude“ mitgemacht. Kann so etwas intelligent bezeichnet werden? Leider nein. Eine Lösung wird aber bedauerlicherweise keiner so schnell finden. Unsere Büros sind nunmal Karnickelställe. Bis die Lösung gefunden wird - d.h. ewig - hat man mit dem Haltungswechsel auch Klimawechsel + Strahlungswechsel. Im Alten Griechenland nannte man so etwas Tragödie - d.h. falsch, egal was man anstellt. Ikarus stürzte ab auf die Insel Ikaria. Dem modernen Büromenschen winkt keine schnelle Lösung, bestenfalls eine quälende Agonie. Und wenn er aus Ärger schreit - hören ihn die anderen im Raum auch besser. Denn Schallschirme befinden sich beim Stehen unter Unterkante Unterlippe.
Ein Schlamassel, für den niemand verantwortlich zeichnet. Wie denn? Wer denn? Um dem Problem abzuhelfen, müsste man die Geschosshöhe etwa verdoppeln. Gute Idee, um bei Bauherrn und Architekten Heiterkeit zu erzeugen.
Sitzen ist ungesund - und Stehen?
13.05.13
Die größte wissenschaftliche Tragödie: Wenn eine häßliche Tatsache eine schöne Theorie ermordet.