Licht und Gesundheitsminister
Licht und Gesundheitsminister
2013
Man lese und staune: „Menschen in fensterlosen Fabrikationsräumen haben - sofern diese in arbeitshygienischer Sicht optimal gestaltet sind - keine gesundheitsschädigenden Einflüsse zu befürchten.” Das ist nicht etwa ein Auszug aus dem Buch mit den meschuggensten Fatwas, die islamische Religionsgelehrte von sich gegeben haben (davon das sonderbarste von Dr Izzat Atiya von der Al Azhar Universität, suchen bei BBC), sondern ein Verdikt der Gesellschaft für Arbeitsmedizin aus dem Jahre 1965. Dadurch war in Deutschland rechtlich möglich geworden, neue fensterlose Arbeitsräume zu bauen.
Was unser Gesundheitsminister heute davon hält, steht hier geschrieben (Interview mit Daniel Bahr ):
Frage: „Was tun Sie als Arbeitgeber für Ihre Mitarbeiter im Ministerium?“
Bahr: Für die rund 670 Mitarbeiter des Ministeriums in Berlin und Bonn gibt es zahlreiche Angebote, z.B. auch Betriebssport. Wir überprüfen auch regelmäßig die Arbeitsplatzsituation, das heißt, ob es ausreichend natürliches Licht in den Büros gibt …“
Offensichtlich sind bedeutsame Einsichten der Arbeitsmedizin dem Minister für Gesundheit verborgen geblieben. Oder haben sich etwa die Zeiten geändert? Ich glaube nicht. Die Menschen in Deutschland haben bereits zu Beginn des letzten Jahrhunderts für mehr Tageslicht gekämpft, für manche grenzte der Glaube daran an religiöse Vorstellungen. Nur 2 von vielen Tausend Menschen, die ich am Arbeitsplatz gefragt habe, würden eine Arbeitsumgebung ohne Tageslicht vorziehen. Die Leute haben nie einen Zweifel daran gehabt, dass das Tageslicht für ihre Leben unerlässlich ist. Nur die Experten meinten, dass man mit genug Lux genug hätte - vom Licht. Ich möchte bloss wissen, wie die zu ihren Erkenntnissen gekommen sind.
Bei einigen weiß ich es. Das waren die Ergonomen. Die meinten, auf Bildschirmen könne man nicht gut sehen, also die Bude abdunkeln (die geniale Idee kam von einem schwedischen Professor für Arbeitsmedizin). Das griffen die Hersteller von Computern begierig auf. Endlich war klar, dass nicht ihre Bildschirme den Benutzern die Tränen ins Auge trieben, sondern die vermaledeite Beleuchtung. Nieder damit!
Nun, ja. Ganz nieder geht es nicht. Also nieder mit der Leuchtdichte. So wurde die „Bildschirmarbeitsplatzleuchte“ aus der Taufe gehoben. Die glorreiche Idee kam von einem Österreicher, sehr bekannt, und einem Marketingmenschen der Firma Siemens, mittlerweile unbekannt (Grund s. Beitrag „Nicht mehr Kerngeschäft“). Absolut blendfrei, bildschirmgerecht - und auch menschengerecht?
Der Erfolg lässt sich sehen: Nach einer Studie des Onlinedienstes Linkedin, in dem weltweit Führungskräfte vernetzt sind, ist der mit Abstand wichtigste Wunsch, in einer Umgebung ohne künstliche Lichtquellen zu arbeiten. Für 37% der deutschen Führungskräfte hat ihr Traumarbeitsplatz nur Tageslicht. (Quelle) (Anm.: Für die „Stummtaste“, die das Geschwätz in der Umgebung abstellen kann, interessierten sich nur 21%.)
Wir haben schlappe 30 Jahre für mehr Tageslicht und wirklich blendfreies Licht am Arbeitsplatz gekämpft. Jetzt ist die Sache beim Bundesminister für Gesundheit Programm. Vorerst für die eigenen Mitarbeiter. Bei seiner Vorgängerin im Ressort, bei Frau von der Leyen, gibt es sogar eine gesetzliche Vorschrift, die nach Tageslicht verlangt.
Irgendwie lohnt es sich, zu kämpfen, auch wenn es lange dauert und die Windmühlen nicht so klar erkennbar sind wie einst.
Bahr jeder Ahnung?
07.02.13
Eine zu späte Einsicht bringt Nachsicht.
Klaus Ender
Darf ich auch hoffen?
©d. Blogg