Licht und Wahrheit
Licht und Wahrheit
2012
Heute Abend war es endlich soweit - Der Film Bulb Fiction - Die Lüge der Energiesparlampe erlebte die deutsche Premiere im Babylon vis-a-vis Volksbühne Berlin. Ich durfte am Ende zusammen mit Helmut Höge „Das Glühbirnenbuch“ den Film kommentieren. Gekommen waren keine Massen, so dass Massenkravalle nicht zu befürchten waren. Die, die gekommen waren, haben aber fast alle Fragen gestellt.
Wie der Film unten aus Youtube auch zeigt, geht es um das Verbot der Glühlampe, um die sog. Energiesparlampe - in diesem Blog mehrfach kommentiert - und um … ja, den Zirkus drum herum. So gesehen hat der ORF bei der Wahl des Drehortes einen Volltreffer gelandet: Circus Roncalli, wo man sich amüsieren kann und dabei nicht von großen Tieren gestört wird. Bei Roncalli ist der Chef ein Clown, und Tiger, die einem höflich die Tatze reichen, arbeitslos.
Da ich einen Großteil der Inhalte kannte, bestand der erhellendste Teil in der Berechnung der Quecksilberproduktion deutscher Kraftwerke. Diese Geschichte (s. „Quecksilber hin, Quecksilber her“ wurmt mich nämlich seit ihrer Entstehung. Geboren wurde sie aus Not: Um ein Produkt zu verbieten, das ökologisch problemlos scheint, damit ein anderes mit einem der schlimmsten Umweltgifte staatlich verordnet werden kann, und das im Namen des Umweltschutzes, musste der Verlust an Quecksilber - oder Gewinn für die deutsche Landschaft? - relativiert werden. So wurde die Story erfunden, dass die Kohlekraftwerke mit jeder kWh ins Netz auch einen feinen Quecksilberfilm über Deutschland sprühen. Die krude Logik: Wenn man beim Betrieb von Lampen Strom spart, erspart man dem Land so viel Quecksilberregen, dass die Bilanz positiv bleibt.
Als Kind war ich zuweilen von meinem Vater gescholten worden, weil meine Entschuldigungen manchmal viel dämlicher waren als die Tat, die relativiert werden sollte. Wenn aber Erwachsene, die glauben, wegen ihrer Intelligenz und Schaffenskraft in die Spitzen von Konzernen und Parteien aufgestiegen zu sein, derart Dummes in die Landschaft setzen, hilft nicht einmal das, was Väter mit dummen Söhnen machen: Hosen stramm ziehen.
Zum Thema Kohle und Quecksilber: Sich herausreden wollte z.B. OSRAM (entstanden 1920), eine Tochter der Siemens AG. Die Kraftwerke, zwar nicht alle, aber viele, die den Quecksilber in die Landschaft pusten, baute die Schwester SBU alias Siemens Bauunion (entstanden 1921). Haben die Jungs denn nicht in 90 Jahren gelernt, wie man Abgase entgiftet? Offenbar nicht, aber messen haben sie gelernt. Woher soll Sigmar Gabriel denn sonst gewusst haben, dass Kraftwerksabgase voll Quecksilber wären? Dieser dämliche Einfall ist nicht einmal dem Deutschen Atomforum gekommen, dem Champion für Greenwashing zugunsten der Kernenergie. Oder habe ich dessen Kampagne „Atomstrom Danke - Endlich atmen ohne Quecksilber“ übersehen? (mehr zum Greenwashing hier) Kaum. Der Atomforum hat sich darauf beschränkt, die CO2-Emissionen zu loben, die der Atomstrom vermeiden soll. Schade, dass Zirkus Roncalli keine großen Tiere in der Manage vorführen will. So kann sich der Ex-Umweltminister auf den Politzirkus konzentrieren. Und die EU Kommission sich rühmen, nach 90 Jahren die Wahrheit ans Licht gezerrt zu haben: Verstromung von Kohle bedeutet Verströmen von Quecksilber über Land und Flur.
Die Story, die der Film erzählt, endet aber nicht hier. Sie beschreibt noch, wie man Zahlen peppt oder schrumpfen lässt, wie es denn passt. So sollen die Daten über die Quecksilbermenge, die die Kohleverbrennung erzeugt, mit amerikanischer Kohle ermittelt worden sein. Zwar verbrennt man zumindest in Ostdeutschand deutsche Braunkohle und in England bestimmt keine amerikanische Kohle, irgendwie scheint das Ganze etwas mit dem Fluss von Kohle zu tun zu haben. Nachdem die Höhe der Emissionen von Quecksiber so hochgejubelt worden ist, gibt die Sprecherin des EU-Energiekommissars im Film ein Beispiel davon, wie man andere Dinge kleinrechnet. Ihr (ehemaliger) Chef, der für das Verbot zuständig war, wollte keinen Medienauftritt. Und ihr jetziger, Günter Oettinger? Der kommt im Film auch nicht vor. Vermutlich wollte er das Interview nur in Englisch geben (Kostprobe hier Englisch für Oettinger).
Nicht zur Zahlenpepperei gehört, also zu Verzeihlichem, ein weiteres Kunststück der Politik, weil ein Straftatbestand - und im Übrigen Verstoß gegen das Achte Gebot Gottes - falsches Zeugnis ablegen. Unser (Ex)Umweltminister hat behauptet, man würde ein kleines Kohlekraftwerk einsparen, wenn alle Glühlampen durch - äh - Energiesparlampen ersetzt würden. Dass zur gleichen Zeit eine große Anzahl von großen Kraftwerken (25?) im Bau waren, hat er hingegen verschwiegen. Kein deutsches Gericht hätte den Herrn ungeschoren davon kommen lassen. Wer in Deutschland Zeugnis ablegt, wird belehrt, dass er alles sagen muss, was er weiß, und nichts hinzufügen, aber auch nichts weglassen.
Während wir wohl noch geraume Zeit warten müssen, bis unsere Techniker Entschwafelungsfilter für Politiker entwickeln, dürfen wir nicht damit zögern, die Herren zur Rechenschaft zu ziehen. Wie viel Zeit haben von Steuergeldern bezahlte Politiker, Kommissare oder Beamte damit verbracht, eines der wichtigsten Kulturgüter zu beseitigen, womit uns 0,4 Promille des CO2-Ausstoßes erspart werden sollen?
Man muss vorbeugen, denn die EU-Beamten, die an den Grenzen nicht nur Afganen und Afrikaner aufhalten müssen, sondern auch Glühlampen, wollen sicherlich für diese Heldentat für das Vaterland bezahlt werden. Oder glaubt jemand allen Ernstes, dass die Grenzer die Jagd auf Heatballs und andere polit-pornografische Artikel in ihrer Freizeit betreiben werden?
Bulb Fiction
17.05.12
Es ist unmöglich, die Fackel der Wahrheit durch ein Gedränge zu tragen, ohne jemandem den Bart zu versengen.
Lichtenberg
Für einen Politiker ist es gefährlich, die Wahrheit zu sagen. Die Leute könnten sich daran gewöhnen, die Wahrheit hören zu wollen.
d. Blogg. nach Shaw