Licht und Wahrheit
Licht und Wahrheit
2012
Soeben hat der Schiedsrichter Gagelmann das Spiel im Olympiastadion Berlin abgepfiffen. Man hörte aber bereits vor Minuten, dass es den Bayern nicht mehr so gut ging. Die Dortmunder ließen die Böller krachen. Man hörte ihre Schmähgesänge bis zu uns. Aus dem Fenster sah ich die Raketen in den klaren Himmel steigen. Eine dreimalige Genugtuung für mich.
Lassen wir die Begleitumstände beiseite, die z.B. aus Magdalena Neuner und Jürgen Klopp personifiziert werden, zwei der Besten des deutschen Sports der letzten Jahre, und die Sympathischsten ziemlich ohne Konkurrenz. Beide spielten heute Abend große Rollen. Sie konnten mich nicht vergessen lassen, dass die Verlierer von des Abends mir beinah meine Doktorarbeit versaut hätten. Fußball und Doktorarbeit?
Vor langer Zeit wurde in Deutschland eine Olympiade und eine Fußball-WM geplant. Beide mit Olympiastadion in München im Fokus. Die sollten groß im Fernsehen rauskommen. Dazu brauchte man eine „fernsehgerechte“ Beleuchtung. Viele Leute behaupteten aber, diese wäre kalt und unfreundlich und würde daher die Fans von den Tribünen fegen. Meine Doktorarbeit sollte dies bestätigen und ggf. zeigen, wie man es besser machen könnte.
Nachdem wir viel Arbeit in die Beleuchtung der Münchener Sportstätten investiert hatten, wollte ich diese und andere deutsche Stadien von meinen Studenten bewerten lassen. Zuerst in München. Als ich mein Ansinnen dort vortrug, sagte man mir, der Eintritt für eine halbe Stunde kostete 3.000 DM. Als ich erzählte, ich hätte einen ordentlichen Anteil an der Beleuchtung gehabt, sagte man mir, da könne auch der Allgemeine Deutsche Blindenverband kommen. Njet! So besorgte ich das Geld und fuhr mit 40 Leuten vor das Stadion. Obwohl vertraglich vereinbart und im Voraus bezahlt, kamen wir nicht hinein. Man hatte das Stadion an eine Werbefirma vermietet, die mehr zahlen wollte. Dass 41 Leute von Berlin nach München angereist waren? Wer zahlt, der ist Gast. In München … Ohne uns hätte das Stadion ein Betondach und die Olympiahalle ein Gewächshaus -vor allem sehr sehr warm!
Später hat mir der Präsident des Deutschen Fussballbundes geholfen, in Stadien Eintritt zu bekommen. In alle 17 der Bundesliga. In das 18. kam ich nicht hinein. Die anderen 17 Vereine hatten mir jeweils 4 Jahreskarten geschickt, damit meine Leute zu jedem geeigneten Spiel Zutritt hatten. Und Zugang in den Innenraum mit Sitz auf der Trainerbank gewährt. Aus München bekamen wir nicht einmal eine Antwort. Daher meine große Liebe für diesen Verein. (Ausgenommen Beckenbauer und Sepp Meyer, beide haben sogar meine Fragebogen brav ausgefüllt, obwohl schon damals Kaiser und König.)
Das ist aber nicht das große Thema. An das erinnerte mich der Anblick der Arena und ihre Beleuchtung heute beim Spiel Bayern gegen Dortmund. Am Ende meiner Doktorarbeit hatte ich ermittelt, dass die gängigen lichttechnischen Vorstellungen bei Sportstätten keine Bedeutung hätten. Man dürfte die Tribünen nicht beleuchten, weil dies nicht nur die Zuschauer blendete, sondern auch das Spiel beeinträchtigte. Und dies unwiderlegbar belegt. Man kann es sogar Laien vorführen, sofern sie Ahnung vom Fußball haben.
Das gefiel den Herrschenden der herrschenden Meinung nicht. Die meinten, das gesamte Stadion müsste gleichmäßig beleuchtet werden, weil ansonsten die Spieler durch die Leuchtdichteunterschiede ermüden würden. Wenn man eine solche Erkenntnis hat, nützt halt auch eine Doktorarbeit nix, die das Gegenteil beweist. Ergo? Die Firma, die der herrschenden Meinung wieder Geltung verschaffen wollte, lobte eine Doktorarbeit aus, die wieder Ordnung im Kontor schaffen sollte. Da half es nicht, dass mein Doktorvater, so gutgläubig er war, die Herrschaften informierte, die Sache wäre längst gegessen. Wir hätten nachgewiesen, dass die Blendung, die psychologische, die nunmehr erneut untersucht werden sollte, keine Bedeutung hätte. Und eine große deutsche Firma, die Stadien bereits damals sehr angenehm beleuchtete, hätte großen Gefallen an dem Ergebnis gefunden.
Manchen Firmen kann man aber so nicht kommen. Die Arbeit wurde absolviert, der Doktorand erklomm später die höchsten Weihen in der Firma. Im Jahre 2009, nach seinem Ausscheiden aus dem operativen Geschäft, hielt er einen Vortrag auf der Lux Europa zu Zukunftsaufgaben, die einer Lösung beharrten. Eine von dreien, die er aufzählte, war die psychologische Blendung. Zu seinem Glück war es dunkel im Saal. Sonst hätte er gesehen, dass ich ganz schön häßlich grinste.
Heute Nacht fielen mir die über 30 Jahre Ignoranz ein, die erst dann endete, als ein Architekturbüro genau das baute, was ich einst theoretisch ermittelt hatte. Die Architekten, Gerkan, Marg und Partner, die für den Umbau mehrere Preise, auch einen für die Beleuchtung, eingeheimst haben, haben durch Buchbeiträge ausgewiesen, dass sie sich mit den Lichttechnikern auskennen: „ Ansonsten vertrauten wir den Ingenieuren – zumeist Elektrotechnikern – mit ihren Berechnungen. Diese beschränkten sich – und tun dies auch heute noch – darauf, geforderte Luxzahlen rechnerisch nachzuweisen und dementsprechend Lichtquellen zu verteilen.“ (Meinhard von Gerkan im Jahrbuch Licht und Architektur 2000).
Früher habe ich mich wie viele Kollegen darüber aufgeregt, dass Architekten keine Ahnung von Lichttechnik haben. Ich glaube, die wissen sehr genau, warum sie dies auf keinen Fall haben wollen.
Am Ende siegt sie doch …
12.05.12
Ehre und Profit stecken nicht im gleichen Beutel.
George Herbert
Licht gehört dahin, wo gesehen werden soll.
d. Blogg.