Licht und Gesundheit
Licht und Gesundheit
2012
Demnächst wird ein Forschungsbericht erscheinen und die über 40 jährige Geschichte der BAP-Leuchte beenden. Dies ist die sogenannte oder auch Bildschirmarbeitsplatzleuchte, eines der erfolgreichsten Marketingcoups Marke alter Wein in neuen Schläuchen. Manche werden sich fragen: Gibt es die denn schon so lange, die Bildschirmarbeitsplatzleuchte, wo es die Bildschirmarbeitsplätze gar nicht so lange gibt? Antwort: Eindeutig, ja! Aber wieso?
Vor mehr als 40 Jahren hatte ein österreichischer Ingenieur die - leuchtende oder einleuchtende? - Idee, die ungebremst leuchtenden Neon-Funzeln an der Decke zu zähmen. Er nannte die dazu erfundene Leuchte „dark light“-Leuchte und verkaufte diese ungemein teuer. Unser Profesor indes war gar nicht so erbaut von der Idee und drohte mit sofortigem Rausschmiss für jeden, der von „dark light“ sprach. Er meinte, Licht sei hell und damit basta. Er sollte recht behalten, ich meine, er wird demnächst Recht bekommen, unser Professor. Der andere ist mittlerweile auch Professor. Und hat immer recht.
Die Idee, eine Leuchte zu bauen, derart dass man sie nicht sieht, wenn sie an ist, ist mehr als genial. Denn eine Leuchte soll beleuchten und nicht selber leuchten. Sonst hieße sie Leuchtkörper. Solche Leuchten wünscht man sich heute noch, wenn man z.B. einen Laden ausleuchten will und die Ware und nicht die Leuchten des Herstellers präsentieren. Oder anfliegende Bomber anleuchten, ohne selber entdeckt zu werden. Die Idee ist, wie gesagt, genial, wäre da nicht ein kleiner Haken. Betriebe, die eine Beleuchtung kaufen, sind keine Theater, die sich Scheinwerfer suchen, sondern immer ein Pärchen Leuchten, die einen Arbeitsplatz beleuchten sollen, und sich brav an der Decke zurückhalten. Das mit dem Pärchen erkläre ich in einem anderen Blogeintrag, denn auch das hat es in sich.
Die dark-light-Leuchte bleibt dunkel, auch wenn sie an ist, und mit ihr die Decke des Raumes, an der sie klebt, Pardon, in die sie eingebaut ist. Sie würde ihre Aufgabe gerne erfüllen, die Utensilien auf dem Arbeitsplatz zu beleuchten, so es die gibt. Früher gab es die häufig. Mittlerweile selten. Zudem sollten sich diese nicht in der Ebene aufhalten, in die die Leuchte gerne hinleuchtet, sondern z.B. auf einem Konzepthalter. Der aber würde sich in der Nähe des Bildschirms befinden, der aber bitte kein Licht verträgt. Dummerweise weiß kein Mensch beider Planung einer Beleuchtung, wo sich der Bildschirm und der Konzepthalter aufhalten werden.
ich sehe noch einen Kollegen von der Erfinderfirma von BAP-Leuchte vor einem erlauchten Publikum von sage und schreibe 2.500 Leuten in der Dortmunder Westfalenhalle die Idee präsentieren. Mir wollte nicht einleuchten, wie man 500 Lux auf dem Schreibtisch erreicht bei 450 lx auf dem Konzepthalter. Der Kollege lief rot an - hätte man einen Thermofühler unter der Frisur und einen Feuchtefühler, da wo man auch beim Kaiser nicht hinguckt, wären gleich mehrere Alarme losgegangen. Sein Chef, der Moderator spielte, rettete die Situation durch eine Ausrede und erhielt dadurch die gegenseitige Freundschaft. Zu Hause muss er den Verantwortlichen aber die Leviten gelesen haben, und das nicht nur im Flüsterton.
Da die Idee, die früher dark-light-Leuchte hieß, sehr kurios war, wollte die lichttechnische Industrie zunächst nicht mitspielen. Manche machten sich darüber sogar lustig … Na. Bis sie die Umsätze sahen, die man damit machte. Dann war das Objekt genormt, obwohl es in den einschlägigen Büchern zu lesen gab, dass es allenfalls für Sonderaufgaben in Frage kommt. Und obwohl diese weisen Zeilen in den Büchern von einem stammten, der später seine Brötchen damit verdient hat. „Wat kümmert mich ming Jeschwätz von jestern?“ sagen halt nicht nur Bundeskanzler oder gar Bundespräsidenten, die gegen den Ehrensold für solche sind, die ihn nicht verdienen, Pardon waren. Immerhin hat der Bundeskanzler dazu gesagt: „Sie werden mich nicht daran hindern, schlauer zu werden.“
Ach, viele hätten den Protagonisten der BAP-Leuchte eher helfen wollen, schlauer zu werden. Das aber geht nicht, wenn das Geschäft rollt. Bei unserer ersten Studie in einem Raum mit solchen Leuchten - der Name BAP war noch nicht erfunden - meinten die Benutzer, sie hätten das Gefühl, ihnen fiele die Decke auf den Kopf. Später sah der zuständige Mensch einer Berufsgenossenschaft sich die mit der Leuchte beglückten Räume an und meinte, die Sache müsste schnellstens gestoppt werden. Ihm ging es aber gut im Verhältnis zu den Bauleuten einer Versicherung, hinter denen die Mitarbeiter den Missetäter für die neue Beleuchtung vermuteten. Die waren aber unschuldig. Bei der Ansicht der Räume, die sie bewerten mussten, fragten sie: Was sind denn das für komische Kegel an der Wand? Rund 30 Jahre danach habe ich wieder Leute getroffen, die sich über die komischen Kegel an der Wand mokierten. Und die Journalisten einer Fernsehanstalt, von denen man viele täglich auf dem Bildschirm sieht, ärgerten sich über deren Sicherheitsingenieur, der ihnen den Schlamassel eingebrockt haben sollte. Sie haben kurzerhand eine eigene Beleuchtung installiert.
Nun waren die Betriebe in Deutschland aber mehr oder weniger gezwungen, die Leuchte zu installieren, weil die ja Norm war. Menschen, die den Arbeitsschutz vorantreiben wollten, mussten sie sogar dazu zwingen. Wir wollten dem Spuk ein Ende bereiten und haben die Ergebnisse einer Vergleichsstudie von Beleuchtungsarten einem Juristen unterbreitet, der da sagte: Ihr dürft behaupten, dass diese Beleuchtung dem Arbeitsschutz widerspricht.
So veröffentlichten wir die Studie „Direktbeleuchtung widerspricht dem Arbeitsschutz“, die viele Zeitungen und das Fernsehen gerne aufgegriffen haben, weil die Journalisten selbst unter den Notleidenden waren. Hier kann man das Rohmanuskript bekommen (studiedirektbeleuchtung.pdf). Wer sich für mehr interessiert, findet hier eine Präsentation von uns, die man bei Gefallen gerne auch selbst verwenden kann (Licht und Beleuchtung im Büro).
Müsste doch reichen, wenn man nachweist, dass etwas der Gesundheit der Benutzer schadet? Meine Erfahrungen mit früheren Aktionen dieser Art waren gemischt. Die Computerhersteller haben zunächst mit Boykott und ähnlichem reagiert, aber die beanstandeten Dinge schnell geändert. Büromöbelhersteller haben viel Zeit gebraucht, aber am Ende auch akzeptiert. Hingegen haben die Hersteller von Diktiergeräten nicht einmal die Veröffentlichung des Forschungsberichts abgewartet, um die beanstandeten Punkte zu ändern. Sie schickten interessierte Entwickler, die aber detailliert fragten, was denn falsch sei an ihren Geräten. Was aber tat die lichttecnische Industrie? Da war die persönliche Diffamierung mit Rundschreiben an die Kundschaft noch die netteste Aktion.
Zwar hat sie heute akzeptiert, dass die Direkt-/Indirekt-Beleuchtung viel besser ist als ihr einstiges Lieblingsprodukt. Dennoch enthalten ihre Normen spezifische Anforderungen für Bildschirmarbeitsplätze und sie verlangt von Ergonomie-Normern, dass deren Produkte Anforderungen an die Leuchten enthalten. Summa summarum, die Mehrzahl der im Jahre 2012 betriebenen Büros in Deutschland wird mit Leuchten beleuchtet, die vor mehr als 40 jahren „erfunden“ worden waren und spätestens 1997 „rechtskräftig verurteilt“ mit unserer damaligen Studie.
Zumindest auf dem Papier wird bald Ruhe im Karton eingeläutet: Eine Studie wird den Anwendern zeigen, dass sie die Beleuchtung ihrer Arbeitsräume für das Wohl ihrer Mitarbeiter gestalten sollen und nicht „bildschirmgerecht“. Die Sorge haben ihnen die Entwickler von „modernen“ Bildschirmen abgenommen. Das ist zwar schon lange her, man musste aber erst zwei Professoren im Jahre 2012 bemühen, das Offensichtliche durch eine Studie zu bestätigen.
P.S.: Dieses wurde etwa im Jahre 1987 in einer Studie der Erfinderfima von BAP-Leuchten herausgefunden, die es auch veröffentlicht hat. „Modern“ heißt also nicht etwa neu. Und den am gesunden Bildschirmarbeitsplatz tätigen Mann haben wir 1976 fotografiert. Ob der heute anders sitzt?
Dem Elend sein Ende naht!
02.03.12
Es kann niemand ethisch verantwortungsvoll leben, der nur an sich denkt und alles seinem persönlichen Vorteil unterstellt. Du musst für den anderen leben, wenn du für dich selbst leben willst.
Seneca