Licht und Kinder
Licht und Kinder
2012
Vor einem Jahr verkündete die Presse, Frank Schirra wäre nicht mehr Chef der CDU in Hamburg. Verständlich, wenn man seine Wählerzahl von einer Wahl zur nächsten halbiert. Hingegen glaube ich nicht, dass sein Engagement in Sachen Licht, mit dem er das Pisa-Tal mit Hilfe blauen Lichts zu überqueren versuchte, auch zu dem Debakel beigetragen haben könnte. Denn dazu hat die deutsche Öffentlichkeit weitgehend geschwiegen.
Man stelle sich vor, jemand will 1.000 Grundschulklassen mit Einrichtungen versehen, die die Kinder durch Bestrahlung zu höherer Leistung bringen sollen, und die Öffentlichkeit schweigt. Schlimm? Nicht doch, es wird noch besser: Das Institut, das die Blaulicht-Studie durchgeführt hatte, hat noch ein paar Dinge krumm gestaltet, was in einem ordentlich funktionierenden akademischen Umfeld ziemlich schlimme Folgen für den Chef nach sich ziehen würde. So z.B. wollte eine der drei Schulen, in denen die Studie stattgefunden hatte, doch nicht darin genannt werden. Wie sieht die Bereinigung eines Forschungsberichts aus?
Man nimmt die unwilligen Probanden heraus und berechnet die Ergebnisse neu. Nicht schön, aber geht noch. Was hat aber das Institut gemacht? Nur die Zahl der Probanden korrigiert. Die Ergebnisse sind gleich. Na, bitte. So etwas nennt man homogene Stichprobe. Riecht doch irgendwie stark!
Es kommt aber noch besser: Nachdem eine Beschwerde bei der Ethikkommission eingegangen war, durfte wohl die Studie zur Validierung der Untersuchung nicht mehr mit Kindern gemacht werden. Also? Man nimmt Erwachsene. Sind doch auch Menschen! Ich glaube, der älteste Proband war 48 Jahre alt. Ganz schön junggeblieben, um an einer Studie für Grundschüler als Versuchskaninchen mitzuwirken.
Und dann? Man trägt die Sache vor einem handverlesenen Publikum vor. Dieses merkt zwar, dass der Vortragende ziemlich lustlos wirkt. Wie sollte der arme Kerl sonst wirken, wenn er Dinge vortragen muss, über die man sich nicht totlachen darf, obwohl die Sache wirklich zum Totlachen ist? Schwamm drüber, man kann solche Dinge ja vergessen.
Es kommt aber besser. Man bringt die Studie durch Anführen in einem offiziellen Dokument zu spätem Glanz. Und das sieht so aus:
(Quelle: Fassian M., Lange H.-H.: Key learnings from realized dynamic lighting projects: User acceptance and energy evaluation. Proceedings of the CIE Symposium „Lighting Quality & Energy Efficiency“, Vienna (2010) P379-384.
Man merke: CIE ist die Weltorganisation des Lichts und nimmt für sich allein in Anspruch, lichttechnische Normen zu erstellen. Und da kommen hohe Herrschaften aus aller Welt zusammen, um zu den Plänen zu lauschen, deutsche Kinder mit frischem Licht zu Intelligenz zu verhelfen.
Was meinen die Herren, die das Symposium „Lighting Quality & Energy Efficiency“ veranstaltet haben, zu der Realität, wonach die Testobejkte in den Schulen mindestens doppelt so viel Strom verbraucht haben als die üblichen Beleuchtungen? Wohl gar nichts. Bei Symposien fragt man üblicherweise nicht allzu viel. In diesem Fall hätte jemand doch auf den Tisch hauen müssen:
„Kühles frisches Licht“ morgens zum Aktivieren - Wow! Klassenarbeit - Brilliantes Licht erforderlich - Uff! Tief nach der Mittagspause? Wieder frisches kühles Licht! Ähemmm - Machen deutsche Grundschüler Mittagspause?
Wenn die Öffentlichkeit nicht aufwacht, kriegt sie von mir eine Ladung frisches kühles Licht ab. Ich fürchte, die schläft aber weiter, während ihre Kinder in der Schule mit brilliantem Licht auf den Pisa-Gipfel getragen werden. Kein Wunder, die Damen und Herren Eltern hatten in der Schule ja keine Blaulichtduschen erhalten.
Ich bin in altmodischen Zeiten aufgewachsen. Da hieß es
„Im Frühtau zu Berge wir ziehn, vallera …“ Und so weiter :
Ihr alten und hochweisen Leut', vallera
Ihr denkt wohl wir wären nicht gescheit, vallera
Blaulicht in HH - ad acta? Nicht doch!
29.02.12
Intelligenz lässt sich leichter verbergen als Dummheit..
Dieter Heiler