Licht und Gesundheit
Licht und Gesundheit
2011
Eigentlich, ja, in der Praxis wohl nein, weil sich Generationen von Arbeitsschützern (das sind nicht die, die die Arbeit vor der Erledigung schützen, sondern die Sicherheit und Gesundheit der arbeitenden Bevölkerung) sicherstellen müssen, sollen und wollen. Die sorgen sich in Deutschland seit etwa 1935 um die Arbeitnehmer und deren Welt. Im Jahre 2011 müssten sie irgendwie zum Erfolg gekommen sein? Oder etwa nicht? Nach einer Mail, die ich gestern bekommen habe, scheint die Sache doch nicht geklappt zu haben.
Deutschland hat sich mit Licht und Sicherheit, und nicht nur damit, nicht leicht gemacht. Da der erste Auftragnehmer, der sich von Staats wegen damit kümmern sollte, dass die Arbeitsstätten gesund beleuchtet werden, sich nicht darauf beschränken wollte, der Architekt Albert Speer, wurde gleich eine ganze Behörde aufgebaut: Amt für Schönheit der Arbeit. Er hat richtig sein Herzblut vergossen und für eine deutsche Norm (DIN 5035) gesorgt, die das Licht in Arbeitsstätten regelt. Da stand sinngemäß geschrieben: Licht diene der Schönheit und Gesundheit. Wer´s genauer hätte, so lautete das Ziel der Norm: “Die künstliche Beleuchtung von Innenräumen muß den Forderungen der Gesundheit und Schönheit entsprechen, dabei zweckmäßig und wirtschaftlich sein.”
Zwei Jahrzehnte später - das Deutsche Reich ist passe´, es lebe die BRD - allerdings etwas nüchterner, da es mit der Schönheit der Arbeit es doch nicht allzu schön gewesen war. Nun hieß es: “Die künstliche Beleuchtung muß hygienischen Forderungen genügen, wirtschaftlich sein und der Raumwirkung dienen.” Die Hygiene stand immerhin im Vordergrund. Schönheit musste nicht mehr sein, aber die Raumwirkung war schon ein Ziel. Warum man die Schönheit nicht auf die Spitze treiben wollte, kann man verstehen, wenn man eine ALDI Filiale besucht. Dort dürfen die Verkaufsräume um Gottes Willen nicht schön sein. Sie müssen lumpig aussehen, damit der Kunde weiß, was man von ihm hält. Vermutlich sind die Pausenräume des Personals als Entschädigung sehr schön ausgestattet. Hoffe ich …
Das war 1953. Man konnte die zweite Ausgabe von DIN 5035 kaufen. Danach vergingen noch mehr als zwei Jahrzehnte, bis man die (fast) endgültige Fassung von DIN 5035 in der Hand halten konnte. Wenn Albert Speer die gelesen hätte, wäre er vermutlich aus der Fassung geraten: “In Arbeitsräumen muß die Beleuchtung ein müheloses Erkennen der Sehobjekte ermöglichen.” hieß die einzige Anforderung im Jahre 1979.
Es wäre eine böse Unterstellung, wenn man das Erscheinungsbild von vielen Arbeitsstätten auf die Entwicklung der Anforderungen der Lichttechnik von Gesundheit und Schönheit zum mühelosen Erkennen von Sehobjekten zurück führen würde. So etwas kann weder eine Norm, noch der böse Arbeitgeber schaffen. Vielleicht fällt jemandem etwas ein, wenn er sich die Tasse anguckt, die er zum Kaffeetrinken zum Betrieb gebracht hat. In Deutschland gibt es Sozialpartnerschaft, auch in Sachen Schönheit.
Während die Schönheit ersatzlos auf der Strecke geblieben war, sorgte mittlerweile doch jemand für sicheres Licht. Der Bundesminister für Arbeitsschutz und Sozialordnung. er hatte die Arbeitsstättenverordnung erlassen, die künstliches Licht regelte. Dass die Tageslichtbeleuchtung ihm entfallen war, sollte man nicht allzu tragisch nehmen. Denn er hatte auf den Ausblick nach Draußen abgehoben. Tageslicht als Beleuchtung - wie schnöde! Wir haben doch Neonlicht - Pardon LL-Lampen, wie es so schön heißt.
Da die ArbStättV vielen doch zu abstrakt vorkommen würde, hat der Minister eine Erklärung verfassen lassen, die Richtlinie 7. Sie erklärte, wie man die Beleuchtung auszuführen hatte. Dass (fast alle) Teile davon aus einer Norm stammten, die unter der Ägide der Hersteller der Technik entstanden war, sollte man auch nicht allzu tragisch nehmen, weil man die Sache doch nicht wird verstehen können, ohne den zuständigen Mann in Ministerium zu fragen. Und der ist leider nicht mehr da. Sonst hätte er uns erklären können, warum er so oft die Marketingorganisation der Hersteller zitieren musste. Und das hätten wir alle gut verstanden.
Die ArbStättV, von der SPD initiiert, fiel einem SPD-Minister zum Opfer, der eine geniale Idee von Leuten wie Ronald Reagan und Maggie Thatcher in die deutsche Gesetzgebung einbrachte - übrigens echte Bewunderer der Partei der kleinen Arbeiter: Man muss die Wirtschaft von den Fesseln der Vorschriften befreien, damit sie sich zu neuen Höhenflügen aufschwingt. Die Sache nannte sich Deregulierung. Ein Superlativ, das schwer zu toppen sein wird, geht auf deren Konto: Die Bankenkrise von 2008 bis Gott-weiß-wann. Zur Ehrenrettung des Ministeriums: Der Mann, der die gut funktionierende ArbStättV dereguliert hat, war nicht Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung wie seine Vorgänger und Nachfolger, sondern Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit, und ist nicht mehr in der SPD. Wie dem auch sei, in der neuen ArbStättV sind alle Klarheiten beseitigt, sofern vorhanden. Deswegen müssen die Richtlinien dazu umso klarer ausfallen. Sie sind in der Mache!
Nun hakt es aber das gewaltig, was Beleuchtung angeht. Und wird wohl noch eine Weile haken. Der ewige Friede - ach was, Freundschaft - zwischen dem Arbeitsschutz und der Normung für Beleuchtung hat nach der Mail, die ich gestern erhalten habe, einen gewaltigen Knacks bekommen. Hatte man beim Arbeitsschutz schon immer „empfohlen“ - nette Umschreibung für eine Erzwingung -, die Beleuchtung normgerecht auszuführen, wird künftig der zuständigen Beleuchtungsnorm unter anderem dieser Satz vorangehen: „Wird die Planung und/oder der Betrieb von Beleuchtungsanlagen ausschließlich nach dieser Norm vorgenommen, kann das dazu führen, dass die staatlichen Mindestanforderungen oder die Anforderungen der Unfallversicherungsträger an die Beleuchtung nicht eingehalten sind.“ Im Klartext: Nein: Ich trau mich nicht, das zu schreiben, geschweige denn zu beschreiben. Man setze mal einen Verwaltungsjuristen auf die Spur der Sache und lasse ihn beschreiben, was das bedeutet. Für die Norm so etwas wie Exkulpation. Für die Bauherren? Wer nach der künftigen Norm für Beleuchtung baut, kann nicht darauf bauen, er habe auf die richtige Vorschrift gebaut. Wer, um Gottes Willen, will in Deutschland auf Sand bauen?
Ganz so lieb ist das nicht, zumal die Betriebe mit mancher Begründung vermutlich kaum was anfangen können: Der Staat hätte die Mindestwerte von vertikalen und zylindrischen Beleuchtungsstärken anders festgelegt. Wenn man diese Begründung einem Facility-Manager nach dem zweiten Sektfrühstück auf den Tisch legt, wird er bestimmt nüchterner werden als nach 6 Monate Mineralwasserkur.
Mir wäre es lieber, wenn sich der Staat mit der Schönheit der Arbeit befassen würde. Da war die Welt noch in Ordnung …
Kann Licht der Gesundheit schaden?
23.01.11
Die Gesetze sind um der Weisen Willen da, nicht damit sie kein Unrecht tun, sondern damit sie keines erleiden.
Epikur