Licht und Altern
Licht und Altern
2010
Eigentlich gar nicht so schlecht! Ich drehe den Schalter, und das Licht geht im Keller an. Im Wohnzimmer geht das nicht, da muss man den Schalter umlegen. Denn dort haben wir die Vorkriegsware durch moderne Ausrüstung ersetzt. Ansonsten sind wir glücklich. Dürfen wir aber nicht, lese ich in licht.de.
Dort wird erklärt, warum man immer mehr Licht installieren muss, als man benötigt. Die Lampen und Leuchten verschmutzen und altern dazu noch. Ergo: Man installiere mehr, um später den erwünschten Zustand zu haben. Die Leute, die mein Haus gebaut haben, kannten die Sache wohl noch nicht. Denen hatte man erzählt, dass der Wunsch von Goethe in Erfüllung gegangen wäre: „Sie könnten nichts Besseres erfinden, als wenn die Lampen ohne zu putzen brenneten“. Und nun lese ich: „Um die Beleuchtungsanlage länger ohne zusätzliche Wartungsarbeiten betreiben zu können, muss also ein entsprechend höherer Neuwert (Anfangswert) installiert werden. Dieser wird mit Hilfe des Wartungsfaktors festgelegt.“ Johann Wolfgang muss also noch warten.
Eigentlich ist die Sache ja nicht neu. Man berechnete eine neue Beleuchtung schon immer mit einem Zuschlag, je nach dem, wo sie betrieben werden sollte. Danach gab´s aber Ruhe. Denn niemand konnte präzise ermitteln, wann die Anlage den Ansprüchen nicht mehr genügte. Es war wie mit dem Kupplungspedal. Die Wirkung verschlechtert sich mit der Zeit, reparieren tut man die Kupplung erst, wenn sie nicht mehr tut.
Man hat nunmehr den Wartungsfaktor erfunden, um festzustellen, wann eine Anlage den geplanten Wert nicht mehr liefert: „Die von den europäischen Beleuchtungsnormen, zum Beispiel DIN EN 12464-1, empfohlenen Angaben wie die Höhe der Beleuchtungsstärke sind Wartungswerte. Das heißt, sie dürfen zu keiner Zeit unterschritten werden.“ lese ich in licht.de. Macht Sinn!
Der Haken kommt beim Rechnen: MF = LLMF x LSF x LMF x RMF, so heißt die Formel. LLMF ist der Lampen-Lichtstromrückgang, LSF der Lampen-Lebensdauereinfluss, LMF der Leuchtenverschmutzungseinfluss und RMF der Raumverschmutzungseinfluss, erklärt mir eine Herstellerbroschüre. Sehr schön, aber was kommt unter dem Strich heraus? Auf diese Frage konnte man viele Jahre lang keine Antwort bekommen. Ich erinnere mich noch an einen Vortrag, den ein Mitglied der zu dem Zweck der Festlegung des Wartungsfaktors von der LiTG eingesetzten Arbeitsgruppe gehalten hatte. Nach seiner Berechnung müsste man für ein normales Büro (500 lx) etwas über 3000 lx installieren, wenn man keine Wartung machen wollte. So etwa das Siebenfache des für erforderlich gehaltenen Wertes.
Natürlich wird niemand das installieren, weil … Man wird es meistens gar nicht können, weil der ganze Himmel voller Leuchten hinge. Ein Marketing-Experte eines Herstellers meinte dazu unlängst, man könnte doch zu viel installieren und dann die Anlage gedimmt betreiben. Gute Idee. Leider frisst die dazu erforderliche Elektronik Strom, und die Lampen werden ihre Kennwerte nicht erreichen, weil sie suboptimal betrieben werden. Also noch mehr Ineffizienz.
Wer es beim Alten lassen möchte, also einen Wartungsfaktor von 0,80 = Neuwertfaktor von 1,25 realisieren, muss nach den Angaben des Verbandes der Hersteller (ZVEI) folgendes in die Tat umsetzen: sehr saubere Umgebung, Wartungszyklus 1 Jahr, 2.000 h Brenndauer/Jahr, bei 4.000 h Lampenwechsel, Einzelauswechslung, Leuchten mit geringer Neigung zur Staubansammlung, EVG.
Langsam zum Mitschreiben: Ein Betrieb, der ordnungsgemäß eine Beleuchtung betreiben möchte, und dabei keine Energie zum Fenster hinaus befördern, muss jedes Jahr alle Leuchten putzen, alle zwei Jahre sämtliche Lampen wegwerfen, ständig den Hausmeister die ausgefallenen Lampen ersetzen lassen, und darf nur besondere Leuchten betreiben. Der Raum muss auch sehr sauber sein.
Beim Lesen dieser Daten dachte ich an die Golden Gate Brücke. Dort turnt das Wartungsteam ständig im Gebälk herum, um die rostanfälligen Teile neu zu bepinseln. Das geht seit 1937 so. Entsprechend muss jede Leuchte in einem deutschen Büro einmal im Jahr geputzt werden, oder öfter, wenn man das Weißeln der Wände nicht so häufig durchführt.
Oder? Man wählt einen Faktor von 0,5 und installiert doppelt so viel wie für erforderlich gehalten. Dieser wurde z.B. für Büros mit Raucherlaubnis empfohlen. Das hört sich wieder nach Energieeffizienz an.
War jemandem bewusst, dass Kompaktleuchtstofflampen schlechter sind als die stabförmigen? Die Berufsgenossenschaft gibt (BGI 856, 2010) für die einen Faktor von 0,70 an, für die üblichen 0,75. Man muss dann 48,28 lx mehr installieren. Fast 10 % mehr. Sind die Energiesparlampen nicht Kompaktleuchtstofflampen? Eigentlich ja, aber die sparen offenbar doch nicht so gut. Wie wär´s mit einem Verbotsantrag?
Aus den Daten kann man aber noch mehr lesen: Um nicht zu viel installieren zu müssen, muss man die Kompaktleuchtstofflampen nach 4.000 Stunden wegwerfen, auch wenn man laufend jede ausgefallene Lampe sofort wechselt. Den EU-Politikern, die die Glühlampe verboten haben, wurde aber eine Lebensdauer von 10.000 Stunden angegeben. Die Berechnungen über den Quecksilberfilm über Deutschland wurden auch auf dieser Basis angestellt. Und nun? Soll man bei der „Gruppenauswechslung“, so ist die offizielle Bezeichnung nach 4.000 h auch die gerade ersetzten Lampen mit wegwerfen, damit die sich als zugehörig zur Gruppe empfinden?
Ich kenne, keinen einzigen Betrieb in Deutschland, der einen Wartungsplan dieser Art aufgestellt hätte. Vermutlich würde ein Anbieter für eine Planung mit diesen Randbedingungen das Büro des Kunden nicht durch die Tür verlassen, so er denn überhaupt Einlass bekommen hat. Man wird ihm einfach nicht abnehmen, dass die Lichttechnik so schlecht funktioniert. Tut sie auch nicht!
Nicht nur Lügen haben kurze Beine, sondern auch sachlich scheinende Angaben, hie 4.000 h dort 10.000 h, wenn man die zusammen betrachtet. Dass Dumme ist, dass es Sinn machte, den Wartungswert einzuführen, und auch noch Sinn macht, unterschiedliche Wege zur Erhaltung der Beleuchtung aufzuzeigen. Der eine putzt jeden Tag die Lampe (Goethe), der andere weißelt die Wände, und der dritte installiert mehr.
Übrigens, das Konzept gilt auch für die Tageslichtbeleuchtung. Man muss zwar nicht ständig die Sonne putzen, sie altert auch nicht so schnell. Wartungsfrei ist so eine Tageslichtbeleuchtung aber nicht.
Wie schlecht funktioniert Licht-Technik?
04.12.10
Der Fehler ist, dass der Fortschritt immer mit dem alten Sinn aufräumen will.
Robert Musil