Licht und Farbe
Licht und Farbe
2010
Heute habe ich Nachricht darüber erhalten, dass Marvin Böll und Tran Quoc Khanh in der Zeitschrift Licht einen Artikel zum Thema Lichtquellen für Wohnraumbeleuchtung veröffentlicht hatten. Eigentlich hätte ich den Artikel schon längst gelesen haben müssen. Eigentlich …
Was die beiden geschrieben haben, hätte sie noch vor ein paar Jahren an den (virtuellen) Galgen der Lichttechnik gebracht, und einen Kongress, auf dem sie die Dinge vorgetragen hätten, hätten sie nur nach Zusicherung für freies Geleit aufgesucht und nur unter dem Schutz der Security verlassen können. Heute können sie ohne Angst vor Verurteilungen schreiben.
Worum geht es? Im Prinzip um zwei Mogelpackungen namens Farbwiedergabeindex und Energieeffizienz. Beim Farbwiedergabeindex handelt es sich um die Fähigkeit einer Lichtquelle, Farben von Objekten wiederzugeben. Der gebildete Laie lernt dazu im Physikunterricht, dass Objekte nur die Farben reflektieren können, die in dem sie beleuchtenden Licht enthalten sind. Soweit der Laie … Der Fachmann hingegen redet vom Farbwiedergabeindex, der sich zwischen 0 und 100 bewegen kann. wenn man den Artikel richtig liest, stellt man fest, dass der Fachmann von der Sache weniger versteht als der Laie. Denn dieser prüft und testet die Beleuchtung seines Wohnraums unter Beachtung der dort befindlichen Farben, so er Interesse an seiner Umgebung hat. Und die Industrien, von denen die Möbel in dem Wohnraum sowie seine Kleidung herkommen, rechnen und arbeiten mit spektralen Reflexionsgraden, während der Beleuchtungsfachmann bestenfalls weiß, dass es so etwas gibt.
Der Farbwiedergabeindex ist zum einen falsch skaliert, denn ein Wert von etwa 90 suggeriert, dass er sehr hoch sei, und die meisten Farben würden gut wiedergegeben. Und gar ein Index von 99? So eine Lampe müsste praktisch alle Farben schön wiedergeben. Denkste! Sie gibt nur Pastellfarben gut wieder, weil die gesättigten Farben gar nicht berücksichtigt werden. Der Index heißt nämlich der „allgemeine“ F… Die beiden Ketzer, die den Artikel geschrieben haben, haben aber die gesättigten Farben mit berücksichtigt. Ihr Ergebnis u.a.: „die warmweißen Kompaktleuchtstofflampen keinen guten Farbwiedergabeindex bei Gelbgrün (R3), Purpur (R8), gesättigtem Rot (R9), gesättigtem Gelb (R10) und gesättigtem Blau (R12) haben.“ Und: „Eine warmweiße Kompaktleuchtstofflampe mit einem Ra von 82 hat einen R9-Wert von nur 2. Sie kann außerdem wichtige Farben wie Gelb (R10) und Blattgrün (R14) trotzdem farblich nicht gut wiedergeben.“ (Zahlen in Klammern sind die Nummern der Testfarben für gesättigte Farben.)
Was lernt das einen? Zum einen, dass man sich die farbliche Gestaltung seines Wohnraums sparen kann, wenn man solche Lampen einsetzt. Zum anderen verraten die Autoren, wie die Legende von der Energieeffizienz bestimmter Lampen entstanden ist: „Eine Erkenntnis aus … ist es, dass das jetzige Leuchtstoffsystem in dem Spektralbereich zwischen 555 nm und 575 nm, in dem die V(λ)- Funktion sehr hohe Hellempfindungswerte aufweist, relativ wenig Strahlungsemission liefert und deshalb die derzeitige Lichtausbeute zwischen 48 lm/W und 67 lm/W zustande bringt.“ In weniger gewählter Ausdrucksweise heißt das, dass die relativ hohe Lichtausbeute durch Inkaufnahme eines Farbstichs entsteht.
Farben unwichtig? Das wird einem kein Fachmann erzählen wollen. Es ist aber so. Nur der „Fachmann“ weiß es nicht, wenn er seine Schulung bei einem Hersteller absolviert hat. Dort lernt er, dass ein Index von 69 „gut“ sei, 85 „sehr gut“ und 100 „optimal“. Optimal eine Steigerung von sehr gut? Und das auch, wenn keine der gesättigten Farben wiedergegeben wird? Dieser Unsinn ist bestimmt nicht steigerungsfähig.
Langsam begreife ich, was ein anerkannter Sehphysiologe gemeint hat, als er Beleuchtung als „Lichtsoße“ bezeichnete.
zum Artikel: Farb- und lichttechnische Charakterisierung von Lichtquellen
für Wohnraumbeleuchtung, in Licht 4/2010, war jedenfalls heute verfügbar unter http://www.litg.de/publik/litg.php4
Knackig satte Farben
05.11.10
Jeder Denker malt seine Welt und jedes Ding mit weniger Farben, als es gibt, und ist gegen einzelne Farben blind.
Friedrich Nietzsche